Montag, 11. März 2019

Avifauna Europa: Kreta

Okay, kommen wir endlich zum Kreta-Urlaub vom letzten Jahr. Neben der reichhaltigen Flora hat Kreta auch ornithologisch einiges zu bieten, mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Lebensräume und nicht zuketzt als Zwischenstation für verschiedene Zugvögel. Und zur Abwechslung gehen wir heute mal nicht systematisch vor, sondern eben nach den verschiedenen Lebensräumen.

Städte
Italiensperling (Männchen)
Der in Menschennähe allgegenwärtige Spatz auf Kreta ist der Italiensperling (Passer italiae), bei dem die Männchen im Vergleich zu unserem Haussperling einen dunkelbraunen Scheitel und eine kräftiger schwarze Brust haben. Die Weibchen sind nicht zu unterscheiden. Ein weitere auffälliger Kulturfolger ist die südosteuropäische Unterart der Nebelkrähe (Corvus cornix sharpii). Daneben kommen als Kulturfolger natürlich auch die üblichen Straßentauben (Columba livia domestica) sowie Türkentauben (Streptopelia decaocto) vor.
Italiensperling (Weibchen)
Daneben kommen gerade am Stadtrand auch Turmfalke (Falco tinnunculus tinnunculus), Rauchschwalbe (Hirundo rustica rustica), Mauer- (Apus apus apus) und Alpensegler (Tachymarptis melba melba) vor, die letzten drei wohl teilweise auf dem Durchzug von Afrika nach Europa.
Nebelkrähen

 

 

 

Festung Rethymno

Brachpieper
Als überraschend vielfältig hatte sich für mich die Festungsanlage in Rethymno erwiesen. Hier gibt es offene Brachflächen und Baumreihen. Da sie prominent direkt an der Küste liegt, sammelten sich hier bei meinem ersten Besuch auch einige Vögel, die wohl auf Grund des starken Scirocco-Winds aus Nordafrika eine Zugrast eingelegt hatten. So war hier neben mehreren Wiesenpiepern (Anthus pratensis) auch ein Brachpieper (Anthus campestris) unterwegs, sowie eine Gruppe Maskenschafstelzen (Motacilla flava feldegg) - das Bild vom Mänmchen ist allerdings vom Agia Reservoir.
Maskenschafstelze (Männchen)



Maskenschafstelze (Weibchen)









  




Buchfink
Kohlmeise
Bei meinem zweiten Besuch hatte der Scirocco abgeflaut und es waren zwischen den Bäumen ein Männchen der ostmediterranen Unterart des Buntfinks (Fringilla coelebs schiebeli) und mehrere mediterrane Kohlmeisen (Parus major niethameri) unterwegs - alle eher fotoscheu...


Mittelmeersteinschmätzer, Männchen
Spannender und fotofreundlicher war dagegen eine Gruppe von Steinschmätzern (Oenanthe oenanthe libanotica) unter die sich ein Mittelmeersteinschmätzer (Oenanthe hispanica melanoleuca) gemischt hatte.
Mittelmeersteinschmätzer













Rotrückenwürger
Ein besonders hübsches Higlight war dann noch der Rotrückenwürger (Lanius senator senator), der genauso wie der Mittelmeersteinschmätzer ein gewisses Talent hatte, sich fotogen auf Zweige zu setzen - manchmal braucht man halt ein bischen Glück!














 

Strände, Küsten und Häfen

Bruchwasserläufer
Stelzenläufer
Am Sandstrand bei Rethymno waren ziemlich regelmäßig Flussregenpfeifer (Charadrius dubius curonicus) unterwegs, gelegentlich auch Stelzenläufer (Himantopus himantopus) und auf einer schlammigen Fläche bei Spinalonga auch Bruchwasserläufer (Tringa glareola).




Krähenscharben
An den felsigeren Abschnitten sind Bachstelzen (Motacilla alba alba) häufig und auch immer wieder Seidenreiher (Egretta garzetta garzetta). Etwas weiter von menschlichen Ansiedlungen entfernt kann man immer wieder Krähenscharben (Phalacrocorax aristotelis desmarestii) auf den Küstenfelsen sehen. Die einzige Möwe, die regelmäßig, auch bis recht weit ins Inland, zu sehen war, war die Mittelmeermöwe (Larus michahellis michahellis).





Kormoran
Im Hafen von Chania war außerdem ein Eisvogel (Alcedo atthis atthis) unterwegs und im hafen von Georgioupoli ein erstaunlich wenig scheuer Kormoran (Phalacrocorax carbo sinensis), dem wohl niemand gesagt hatte, dass der Kormoran auf Kreta eigentlich nicht vorkommt - es lohnt sich halt immer, die Augen offen zu halten!



Olivenhaine und hügeliges Land

Schwarzkehlchen (Männchen)
Sobald man ins Inland kommt, wo mehr als einzelne Bäume stehen, kommen immer mehr Singvögel vor, als besonders hübsche und prominente Art muss hier als erstes die Samtkopfgrasmücke (Sylvia melanocephala pasiphae) genannt werden. 







Schwarzkehlchen (Weibchen)
Amsel
Eine weitere hübsche und auffällige Art ist das Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola rubicola), das ihr ja aus dem letzten Blogbeitrag kennt.










Grünfink
Zaunkönig
Stieglitz
Haubenlerche
Außerdem kommen in Olivenhainen und kleinen Wäldern viele Arten vor, die uns aus Mitteleuropa vertraut sind, allerdings oft in anderen Unterarten. Neben den oben schon genannten Kohlmeisen und Buchfinken kommen hier Grünfinken (Chloris chloris aurantiiventris), Stieglitze (Carduelis carduelis balcanica), Girlitze (Serinus serinus), Amseln (Turdus merula syriacus) und Gartenrotschwänze (Phoenicurus phoenicurus phoenicurus) vor. Außerdem ist mir eine Huabenlerche (Galerida cristata meridionalis) begegnet. 
In etwas höheren Lagen kommen auch der Zaunkönig (Troglodytes troglodytes cypriotes), die sich auf Kreta derzeit etablierende Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla atricapilla) und die griechische Blaumeise (Cyanistes caeruleus calamensis) vor  - von letzterer habe ich leider nur ein Katzenbeutenfoto, das ich Euch hier erspare.

Chukarhuhn
Wiedehopf
An größeren Vögeln gibt es auf Kreta das Chukarhuhn (Alectoris chukar), das ich leider nur als Käfigtier gesehen und eventuell rufen gehört habe. Was mir an Hühnervögeln begegnet sind, waren halbwilde Haushühner, Truthühner und wohl aus Parkanlagen entflogene Pfauen. Ein besonderes Highlight war für mich allerdings der Wiedehopf (Upupa epops epops) bei Spinalonga in einem Olivenhain.


Kolkrabe, am Nest abfliegend.
Neben den genannten Turmfalken sind überfliegende Mäusebussarde (Buteo buteo buteo) und Kolkraben (Corvus corax laurencei) regelmäßig zu sehen - hier hatte ich als besonderes Highlight bei Spinalonga sogar einen Blick in ein Nest! An den Schluchten zwischen Hügeln fliegen Schwärme von Halsbanddohlen (Coloeus monedula soemmeringi).
Last but not least

Gewässer

Moorente
Kreta hat verschiedene Flussläufe, mit dem Kournassee einen Süßwassersee und ein paar künstliche Wasserflächen, insbesondere das Reservoir von Agia - alle dienen als Rastplätze für ziehende Vogelarten, aber auch als Brutplätze für einheimische Vögel, so dass Kreta bei Süßwasservögeln erstaunlich viel zu bieten hat. Fangen wir mit Agia an, dem wohl besten Beobachtungspunkt für Wasservögel. Ein Highlight hier war die auf Kreta auch brütende Moorente (Aythya nyroca), die neben Tafel- (Aythya ferina), Reiher- (Aythya fuligula) und Löffelenten (Anas clypeata), Höckerschwänen (Cygnus olor), Zwergtauchern (Tachybaptus ruficollis ruficollis) und verwilderten Haus- (Anas platyrhynchos domestica) und Warzenenten (Cairina moschata domestica) auf dem See schwammen. 
Kleines Sumpfhuhn
Rallenreiher
Im Uferbereich war das Kleine Sumpfhuhn (Porzana parva) unterwegs, sowie  Teichhühner (Gallinula chloropus chloropus), ein Rallenreiher (Ardeola ralloides) und ein Kampfläufer (Philomachus pugnax) unterwegs, im Schilf neben der oben genannten Maskenschafstelze noch der Seidensänger (Cetti cetti cetti). Dessen Ruf klingt genauso wie sein lateiniescher Name sein schnell, laut und melodisch gerufener Name, zu gesicht habe ich ihn nur bekommen, da er die Katze des Restaurants am Seeufer ausschimpfte, die mir gefolgt war.
Kampfläufer
Seidensänger














Steppenmöwe?
Nachtreiher
Und weil das noch nicht genug ist, sass am Ufer eine Möwe, die ich solange für eine junge Steppenmöwe (Larus cachinnans) halte, bis mir wieder jemand sagt, dass das ganz sicher eine Mittelmeermöwe war. Außerdem flog ein junger Nachtreiher (Nycticorax nycticorax nycticorax) über den See.



Zwergadler
Zwergadler
Und als unerwartetes, nicht wasservogeliges Highlight war das, was ich erst für einen weiteren Mäusebussard gehalten hatte, der den Parkplatz überflog dann doch etwas anderes - ein Zwergadler (Hieraaetus pennatus)!




Zwergscharbe
Zwergscharbe
Rohrweihe
Im Vergleich hatten der Kournas-See und die Flüsse deutlich weniger zu bieten. Die Zwergscharbe (Micorcarbo pygmaeus) am Kournas-See war allerdings niedlich, sonst waren dort vor allem Hausgänse und Blässhühner (Fulica atra atra) unterwegs. An Flussufern sind mir außerdem noch Garureiher (Ardea cinerea cinerea), Weißstorch (Ciconia ciconia ciconia), Knäkente (Anas querquedula), Rohrammer (Emberiza schoeniclus schoeniclus) und eine Rohrweihe (Circus aeruginosus aeruginosus) begegnet.






Berge

Gänsegeier
Gänsegeier
Mit drei, teils sehr schroffen Gebirgen über 2000 Metern hat Kreta auch einige Lebensräume für an solche menschenferne Lebensräume angepasste Arten zu bieten. Am auffälligsten sind hier sicher die bis ins Flachland immer wieder zu sehenden Gänsegeier (Gyps fulvus fulvus).
Bartgeier
Habichtsadler
Die großen Seltenheiten, die ich beobachten konnten - an der Stelle nochmal ganz herlich danke an Oli fürs mitnehmen in die Berge! - waren Bartgeier (Gypaetus barbatus aureus) und Habichtsadler (Aquila fasciata fasciata). Beim bartgeier empfehle ich übrigens allen mit starken nerven mal die Bildersuche zu bemühen - die Art ist darauf, das zu fressen, was andere Geier übrig lassen und wie er ganze Ziegenbeine schluckt ist ein beeindruckender Anblick!


Steinschmätzer
Heidelerche
Natürlich gibt es im Gebirge auch noch andere Arten, wie Felsentauben (Columba livia livia) - die Stammform unserer Haustaube - und Wanderfalken (Falco peregrinus brookei) und als kleinere Vögel Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe libanotica), Heidelerchen und Bluthänflinge (Linaria cannabina cannabina).




Bluthänfling
Insgesamt hat Kreta also ornithologisch wirklich einiges zu bieten - es lohnt also neben der Badehose auch Wanderschuhe und Fernglas einzupacken!

Was mir sonst noch an Tieren dort begegnet ist, muss aber bis zum nächsten Mal warten und ob ich mich dazu aufraffen kann, alle 181 Pflanzenarten vorzustellen, die ich dort fotografiert habe, weiss ich noch nicht -  denn auch wenn Kreta ornithologisch viel zu bieten hat, botanisch stellt es das locker in den Schatten!

































Sonntag, 10. März 2019

Avifauna Europaea: Update 2018/9 - Sperlingsvögel

Also los, machen wir mal die angestauten Vögel fertig, bevor der nächste Urlaub losgeht und Neues dazu kommt. Oh, ja... Kreta von letztem jahr fehlt ja auch noch. Na gut, umso mehr Gründe, loszulegen, heute also die neuen Sperlingsvögel seit dem letzten Mal

Ordnung Sperlingsvögel (Passeriformes)

Familie Rabenvögel (Corvidae)

Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes caryocatactes)
Der Tannenhäher ist mit seinem braunen Gefieder mit weißen Tüpfeln ebenso auffällig wie zwischen Zweigen gut getarnt. Begenet ist er mir im Allgäu, aber leider ist mir kein Bild gelungen. Da sie sich von Koniferensamen ernähren, sind sie vor allem in den nadelwäldern der Berge oder des hohen Nordens anzutreffen.

Alpendohle (Pyrrhocorax graculus graculus)
Die Alpendohle dagegen ist an vielen Seilbahnstationen in den Alpen so wenig scheu, dass das größte Hindernis an einem guten Bild die Neugier eines näher hüpfenden Vogels sein kann. Im Flug fallen vor allem ihre für Rabenvögel sehr melodiösen Rufe auf, aus der Nähe der gekrümmte gelbe Schnabel. Sie kommt vor allem oberhalb der Waldgrenze in offenem Gelände vor und gehört damit zu den am höchsten brütenden Vögeln überhaupt - in der Schweiz bis auf 3800 Meter und aus dem Himalaya gibt es Berichte, dass sie bei der Nahrungssuche sogar über dem Mount Everest fliegen - auf der Seilbahnstation treffen wir uns also oft eher in der Mitte.

 

Familie Sporn- und Schneeammern (Calcariidae)

Schneeammer (Plectrophenax nivalis nivalis)
Dieser Tundrabewohner kommt bei uns nur im Norden als Wintergast vor - mir sind sie im Januar auf Spiekeroog begegnet. Sie ist einer der am besten an kaltes Klima angepassten Sperlingsvögel überhaupt und brütet im hohen Norden oberhalb der Baumgrenze, was sie zu einer der Arten macht, die vom Klimawandel stark betroffen sein könnten.

 

Familie Finken (Fringilidae)

Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra curvirostra)
Noch ein Vogel, der sich von Koniferensamen ernährt, allerdings braucht der Fichtenkreuzschnabel keine so ausgedehnten Nadelwälder wie der Tannenhäher und kommt auch im Odenwald vor - das Bild stammt aber aus dem Allgäu. Wie der Name andeutet, überkreuzen sich bei diesem Fink die Schnabelspitzen und formen so eine Art Pinzette, mit der Samen aus den Zapfen von Fichten herausgezogen werden können -sieht komisch aus, funktioniert aber offenbar! 

Gimpel (Pyrrhula pyrrhula europaea
Der Gimpel oder Dompfaff ist einer unserer auffälligsten Finken, als Bewohner von Wäldern mit Nadelbäumen aber in vielen Gegenden große teile des Jahres eher unauffällig und erst im Winter in Parks und an Vogelhäuschen einfach zu beobachten. Da der Gimpel sich relativ leicht fangen ließ und als gesangsfreudiger Käfigvogel gehalten wurde, steht er symbolisch auch für Einfältigkeit. Auf der anderen Seite ist er als hübscher Vogel auch besonders häufig auf Paradiesdarstellungen oder mehr oder weniger kitschigen Bildern fürs Wohnzimmer zu sehen.
 
Erlenzeisig (Spinus spinus)
Auch der Erlenzeisig trägt einen Baum im Namen, der auf die Ernähruing hinweist. Neben Erlensamen frisst er aber auch die von Birken und andere. Sie brüten vor allem in Fichten und finden sich im Winter in Schwärmen zusammen, wodurch sie wieder leichter zu beobachten sind als während der Brutzeit. Als kleiner gelbgrüner Fink können sie auf den ersten Blick eventuell mit dem Girlitz verwechselt werden, haben aber weniger kräftiges Gelb und stärler schwarze Flügelspitzen.

 

Familie Pieper und Stelzen (Motacillidae)

Strandpieper (Anthus petrosus littoralis)
Der Strandpieper ist für einen Pieper relativ robust gebaut und hat ein recht dunkles, kontrastarmes Gefieder. Er brütet an den Küsten Nordeuropas und sucht seine Nahrung im Spülsaum. Während die britischen Vögel Standvögel sind, ziehen die Tiere Skandinaviens im Winter an die Nordseeküste, wo auch das Foto her ist, oder weiter bis in den Mittelmeerraum. Zusammen mit dem im Winter ebenfalls an Gewässern vorkommenden ähnlichen Bergpieper wurde er früher oft in eine Art als "Wasserpieper" gestellt.

Familie Braunellen (Prunellidae)

Alpenbraunelle (Prunella collaris collaris)
Die Alpenbraunelle ist ein weiterer Hochgebirgsvogel aus dem Allgäu von oberhalb der Baumgrenze. Im Vergleich zur Heckenbraunelle aus dem Flachland ist sie größer und hat eine dunkel gefleckte Brust. Sie bevorzugt zur Nahrungssuche felsige Flächen, wo sie bei Gefahr flink in eine Spalte flüchten kann. Im Winter sind sie auch tiefer an Hütten anzutreffen, belieben aber in relativ hohem, offenen Gelände. 



Familie Wasseramseln (Cinclidae)

Wasseramsel (Cinclus cinclus aquaticus)
Die Wasseramsel ist unser einziger tauchender Singvogel und jagt in schnell fließenden Bächen nach Wasserinsekten. Mit ihrer relativ kräftigen Gestalt und dem braunen Gefieder mit weißer Kehle ist sie aber auch sonst unverkennbar - wenn sie den lange genug stillhält, um sie zu beobachten.


Familie Fliegenschnäpper (Muscicapidae)

Braunkehlchen (Saxicola rubetra)
Das hübsche Braunkehlchen ist bei uns leider stark gefährdet, da es auf offene Wiesenlandschaften angewiesen ist, wo es nach Nahrung sucht und am Boden brütet. Dadurch ist es durch intensive landwirtschaft, aber auch frei laufende Hunde und Katzen gefähdet. Als Insektenfresser ist es ein Langsteckenzieher und überwintert südlich der Sahara. Im Bild ist ein Weibchen zu sehen, das mir im Herbst auf Spiekeroog begenet ist.





Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola rubicola)
Für das Schwarzkehlchen gilt weitgehend das gleiche wie für das Braunkehlchen, es ist bei uns aber derzeit noch häufiger. Die Rot-weiß-schwarz gemusterten Männchen sind sehr auffällig, die Weibchen sehen ein bischen so aus, als hätte man beim Männchen Farbe und Kontrast ein gutes Stück herunter gedreht.







Familie Meisen (Paridae)

Haubenmeise (Lophophanes cristatus mitratus)
Die hübsche Haubenmeise ist ein weit verbreiteter Vogel von Nadel- und Mischwäldern, kommt aber auch in Parkanlagen und gelegentlich in Gärten vor - offenes Gelände meidet sie. Wer sie also an die Futterstelle locken will, braucht Nadelbäume in der Nähe - und die größeren und frecheren Kohl- und Blaumeisen dürfen sie nicht verscheuchen... Das Bild stammt wieder aus dem Allgäu.

 

Familie Lerchen (Alaudidae)

Ohrenlerche (Eremophila alpestris flava)
Die Ohrenlerche ist ein weit verbreiteter Vogel offener Landschaften, die in Europa vor allem im Norden vorkommt und bei uns im Winter an den Küsten auftaucht - das Bild ist also wieder von Spiekerooog. Sie hat eine auffällige Gesichtsmaske und kleine Federhörnchen, die beim Weibchen kleiner sind.


Familie Grassänger (Locustellidae)

Rohrschwirl (Locustella luscinioides)
Vom Rohrschwirl habe ich leider wieder kein Bild und kann euch nur den Gesang beschreiben, der - wie schon der leteinische Name der Art und der ganzen Familie verrät - eher an eine Grille erinnert, als an klassischen Vogelgesang. Wenn also tagsüber im Schilf eine Grille ausdauernt schrillt, ist es wharscheinlcih eben dieser Vogel!

 

Familie Schwalben (Hirundinidae)

Uferschwalbe (Riparia riparia riparia)
Die Uferschwalbe ist eine bräunliche Schwalbe mit weißer Kehle und Bauch - unterbrochen von einem braunen Brustband. Sie braucht steile Wände, um ihre Nester zu graben, brütet also an Ufern, aber auch in Steinbrüchen (in welchem ich sie gesehen habe, gebe ich hier aber nicht an). Da die geeigneten brutplätze und die Insektennahrung von jahr zu Jahr variieren, können ihre Bestände stark schwanken. Überwintert wird in Zentralafrika.


Felsenschwalbe (Ptyonoprogne rupestris)

Die Felsenschwalbe ist etwas größer als die Uferschwalbe und hat kein Brustband, ähnelt ihr aber sonst stark. Sie nistet in Felswänden, heute aber in vielen Gegenden zunehmen auch an Gebäuden. Begegnet ist auch sie mir im Allgäu und wie die meisten Schwalbe macht sie einem das fotografieren nicht leicht...

 

  

Familie Grasmücken (Sylviidae)

Dorngrasmücke (Sylvia communis communis)
Der deutsche Name verrät schon, dass die Dorngrasmücke in offenen Landschaften mit Büschen vorkommt, der lateinische ("communis"), dass sie früher eine der häufigsten Grasmücken war. In den 60er Jahren sind die Bestände in folge der Dürren in der Sahelzone, wo sie überwintern eingebrochen, heute ist es vor allem der Lebensraumverlust, der eine Erholung verhindert. Das Tier im Bild ist mir am Strand auf Spiekeroog begegnet, wo es mit letzter Kraft gegen starken Wind direkt vor meinen Füßen gelander ist. Im ersten Moment ließ es sogar erschöpft die Flügel hängen, so dass ich am Überlegen war, sie einzufangen und zumindest soweit ins Inland zu bringen, dass sie nicht wieder verweht würde. Wenig später hatte sie sich allerdings soweit erholt, dass sie von selbst über die Dünen zu den Büschen fliegen konnte.

Klappergrasmücke (Sylvia curcurra curcurra)
Die Klappergrasmücke ähnelt der Dorngrasmücke, hat aber dunkelgraue Wangen.Auch sie ist eine Art offener Landschaften, die bei uns nur im Sommer vorkommt.

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Uff, okay, das war's für heute - nächstes Mal dann endlich Kreta!





Montag, 24. Dezember 2018

Avifauna Europaea: Update 2018 - Nicht-Sperlingsvögel

Okay, es ist dringend an der Zeit, die Vögel mal wieder zu aktualisieren. Den Urlaub auf Kreta lasse ich erstmal aus und wir machen nur die Vögel, die mir seit letztem Mal in Deutschland neu begenet sind und die ich Euch noch nicht vorgestellt habe - oh, und die Sperlingsvögel kommen auch später... Also, ohne viel Drumherum, los geht's!

 

Ordnung Gänsevögel (Anseriformes), Familie Entenvögel (Anatidae)

Blässgans (Anser albifrons albifrons)
Blässgans (Anser albifrons albifrons)
Die relativ kleine Blässgans mit der weißen Blässe über dem Schnabel ist ein arktischer Brutvogel und bei uns ein Wintergast. Neben der Blässe ist ein gestreifter Bauch typisch, den man beim Schwimmen aber natürlich nicht sieht. Die Blässgänse auf dem Bild waren zusammen mit einem großen Schwarm Saatgänsen in den Mechtersheimer Tongruben bei Speyer, einem beliebten Winterrastplatz für verschiedene Gänse.

Rostgans (Tadorna ferruginea)
Rostgans (Tadorna ferruginea)
Die Rostgans ist eine Halbgans die in den asiatischen Steppen vorkommt und bei uns gelegentlich als Irrgast, meist aber als Gefangenschaftsflüchtlinge vorkommen und in manchen Gegenden auch brüten. Sie sind etwas kleiner als die Nilgans und rostbraun mit hellerem Kopf. Die Männchen haben einen schmalen schwarzen Halsring. In klassichen indischen Texten steht die Rostgans für Liebe und Treue und tatsächlich bleiben die Paare oft lange Zeit treu zusammen. Die Rostgans im Bild ist ein Tier aus einem Paar das ich in der Wagbachniederung getroffen habe.

Ordnung Ruderfüßer (Pelecaniformes), Familie Reiher (Ardeidae)

Kuhreiher (Bibulcus ibis)
Westlicher Kuhreiher (Bubulcus ibis)
Den westlichen Kuhreiher habe ich Euch schonmal aus Mexiko vorgestellt - da allerdings noch ohne Bild, seinen östlichen Verwandten in Sri Lanka. Heute also endlich mit Bild und von hier - wenn auch bei uns nur als recht seltener Irrgast, der eigentlich in Afrika und Teilen Südeuropas vorkommt. Das Paar im Bild war bei Waghäusel auf den Wiesen bei der Nahrungssuche unterwegs.


Kranich (Grus grus)
Ordnung Kranichartige (Gruiformes), Familie Kraniche (Gruidae)
Kranich (Grus grus)
Kraniche gehören in vielen Gegenden zum Herbst und Frühjahr, wenn sie in riesigen trompetenden Schwärmern ziehen - nur immer nicht da, wo ich gerade bin! Nachdem ich dieses Jahr extra nach Mainz in die Zugschneise gefahren bin, wo am Tag vorher tausende gemeldet waren... sind an dem Tag keine durchgezogen! Nachdem ich die Kraniche für dieses Jahr schon aufgegeben hatte, flog mir dann doch noch dieser Trupp vor die Kamera, so niedrig, dass sie sogar ein richtig gutes Bild abgaben - angelockt von Kranichrufen aus dem Vogelpark Roxheim. Gut Kraniche, wir sind versöhnt - und nächstes Jahr  dann mal die Massen, okay?

Rothalstaucher (Podiceps grisegena)

 

Odnung & Familie Lappentaucher (Podicipediformes, Podicipedidae)

Rothalstaucher (Podiceps grisegena grisegena)
Und mit diesem hübschen Gast auf dem Silbersee habe ich dann auch die europäischen Lappentaucher vollständig! Er ist ein Nordost-Europäer, der bei uns nur gelegentlich als Wintergast vorbeikommt und etwas kleiner als der Haubentaucher ist. Im prachtkleid wäre der Hals kräftig rotbraun. Wie bei manchen anderen Lappentauchern auch, sitzen die Jungvögel nach dem Schlüpfen auf dem Rücken der Eltern und halten sich da etwa zwei Wochen auf - das fehlt mir definitiv noch auf meiner Beobachtungsliste!

 

Ordnung Regenpfeiferartige (Charadriiformes), Familie Möwen (Laridae)

Schwarzkopfmöwe (Ichthyaetus melanocephalus)
Schwarzkopfmöwe (Ichthyaetus melanocephalus)
Diese relativ kleine Möwe ähnelt auf den ersten Blick der Lachmöwe, allerdings ist der Kopf wirklich schwarz und nicht schokoladenbraun und die Flügelspitzen sind nicht schwarz. Sie ist vor allem ein Südeuropäischer Küstenvogel, kommt aber gelegentlich auch im Inland vor, wie das Paar, das dieses Jahr in der Wagbachniederung gebrütet hat.

Ordnung Seglerartige (Apodiformes), Familie Segler (Apodidae)

Alpensegler (Tachymarptis melba melba)
Dieser große Segler mit dem hellen Bauch kommt inzwischen immer weiter nördlich der Alpen vor und in Freiburg und Stuttgart gibt es inzwischen Kolonien, ebenso in Bühl. Außer der Größe und dem Bauch lassen sie sich vom Mauersegler vor allem dadurch unterscheiden, dass sie nicht wie dieser schrill schreien, sondern einen trillernden Ruf haben.
 

Ordnung Greifvögel (Accipitriformes), Familie Habichtartige (Accipitridae)

Steinadler (Aquila chrysaetos)
Steinadler (Aquila chrysaetos chrysaetos)
Eines der ganz großen Highlights dieses Jahr, war der Steinadler im Allgäu. Vom ebenfalls oft dunkel braunen Mäusebussard ist er im Flug durch die Größe, die breiteren Flügel, die sechs "Fingerfedern" und die einheitlicher braune Farbe mit goldbraunem Kopf unterscheidbar. Außerdem haben sie viel kräftigere Klausen, denn Steinadler jagen größere Beute, die sie mit dem Griff töten, mit dem sie Schädel oder Rückgrate brechen können. Im Allgäu jagen sie Murmeltiere und Gemsen, in den asiatischen Steppen wurden sie aber auch zur Wolfsjagd abgerichtet und gelegentlich schlagen sie sogar Rentiere und in einem Paper sind erfolgreiche Angriffe auf Kälber dokumentiert - für einen 3 bis 6 kg schweren Vogel doch enorme Beutetiere, was ihn bei Bauern auch immer wieder unbeliebt gemacht hat und zu seiner flächendeckenden verfolgung führte. Heute sind unsere Mittelgebirge nicht mehr besiedelt, aber vielleicht gelingt mit dem richtigen Schutz wie beim Seeadler ja irgendwann die Rückkehr? 

Wespenbussard (Pernis apivorus)

Wespenbussard (Pernis apivorus
Auch den Wespenbussard habe im ich Allgäu aufgenommen. Zu erkennen ist er zumindest im adulten Kleid am grauen, schlanken Kopf und der gestreiften Flügelunterseite. Er ist ein ziehender Greifvogel und das hängt auch mit seiner Hauptbeute zusammen, die tatsächlich aus Wespennestern besteht, die er aufbricht. Ein steifes Kopfgefieder und enge Nasenlöcher schützen ihn dabei vor den wütenden Wespen. Obwohl er weltweit als nicht gefährdet gilt, ist er bei uns selten und eine der Bedrohungen ist leider der Abschuss auf den Zugrouten nach Afrika.

 

Ordnung Eulen (Strigiformes), Familie Echte Eulen (Strigidae)

Waldohreule (Asio otus otus)
Die relativ schlanke Waldohreule kommt bei Heidelberg vor und kann zur richtigen Jahreszeit abends mit einem dumpfen "huh" gehört werden, wenn sie sich abends zur Jagd bereit macht. Schlafplätze werden hier natürlich nicht genannt.

Waldkauz (Strix aluco)
Waldkauz (Strix aluco aluco)
Der Waldkauz ist die typische Eule, die wir uns vorstellen, sowohl vom Aussehen als auch mit seinem gruseligen "Huuuh-hu"-Ruf, den man im Sommer sogar in der Weststadt Heidelberg hört. Daneben gibt es ein charakteristisches kieksiges "Kwitt", da in der ansonsten ruhigen Nacht genauso schaurig klingt. Als Höhelbrüter braucht er alte Bäume und wie die meisten Eulen hält er sich tagsüber gut getarnt meist versteckt. Da Eulen tasgsüber relativ schlecht sehen, werden sie dann von anderen Vögeln häufig angegriffen und können sich dagegen kaum wehren - in der Dämmerung sind sie dagegen dann geradezu perfekte, lautlose Jäger - bis das letzte Licht weg ist und die Fledermäuse übernehmen...

Ordnung Falkenartige (Falconiformes), Familie (Falken)

Sakerfalke (Falco cherrug chgerrug)
Der große Sakerfalke ist ein Bewohner der südosteuropäischen und asiatischen Steppen. Dieses Jahr hatten wir einen jungen Falken, der regelmäßig bei Ilvesheim auf einem Strommast übernachtet hat. Als großer kräftiger Falke ist er bei Falknern beliebt und das führte leider zu einem massiven Handel mit Jungtieren, so dass die Art heute als stark bedroht gilt. In Südosteuropa gibt es allerdings inzwischen wieder wachsende Bestände, da hier die Brutplätze bewacht werden.


Ordnung Spechtvögel (Piciformes), Familie Spechte (Picidae)

Mittelspecht (Dendrocopos medius medius)
Dieser Specht ist etwas kleiner als der Buntspecht, wirkt aber zierlicher und mit dem schmaleren Schnabel niedlicher. Die Geschlechter sehen bei ihm fast gleich aus und haben beide eine rote Stirn. Er kommt in alten Wäldern mit viel Totholz vor, verhält sich da allerdings so unauffällig, dass man ihn häufig nicht zu Gesicht bekommt oder nicht einmal hört, dabei hat er eine recht vielseitige Stimme. Am Silbersee bei Roxheim ist er mir inzwischen mehrmals begegnet und eben auch einmal schön vor die Kamera geflogen.


Kleinspecht (Dendrocopos minor hortorum)
Bei diesem kleinen Specht, der kaum größer als eine Meise wirkt, haben nur die Männchen eine rote Stirn. Auch er liebt alte Wälder und besonders Auwälder. Im Winter ist er dabei sogar klein und geschickt genug, um Schilfhalme aufzumeisseln um an darin überwinternde Insekten zu kommen. Begegnet ist er mir in Waghäusel und bei Mainz in einer Schrebergartenanlage.

Wendehals (Jynx torquilla torquilla)
Unseren vielleicht ungewöhnlichster Specht habe ich zwar auf der Viernheimer Heide und der Sandhäuser Düne schon gehört, den gut getarnten Vogel aber noch nicht vor die Kamera bekommen. Und im Gegensatz zu Klein- und Mittelspecht zieht der Wendehals im Herbst, wenn weniger Laub im Weg ist auch weg... Naja, vielleicht nächsten Sommer!

 

Ordnung Rackenvögel (Coraciformes), Familie Bienenfresser (Meropidae)

Bienenfresser (Merops apiaster)
Zum Abschluss für heute habe ich noch einen besonders bunten Vogel. Der Bienenfresser ist eine wärmeliebende Art, die zur Zeit bei uns auf dem Vormarsch ist und in vielen Steinbrüchen brütet, die Steilwände bieten, in denen er seine Bruthöhle graben kann. Tatsächlich sind Bienen und Wespen neben anderen wehrhaften Insekten seine Beute. Sie werden im Flug gefangen und dann an einem Ast totgeschlagen und die Giftdrüsen ausgedrückt, um eine schmackhafte und ungefährliche Mahlzeit zu ergeben.

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So, und das war es für heute - nächstes Mal dann die Sperlingsvögel!

Sonntag, 9. Dezember 2018

Unser fantastischer, viel zu wenig beachteter Tentakel

Okay, was für ein Körperteil packt man in billiger Science-Fiction an einen Außerirdischen, wenn man ihn so richtig exotisch wirken lassen will? Richtig, einen oder mehrere Tanetakel! Lange, fleischige bewegliche Dinger ohne Knochen, die greifen und Tasten können und uns als Menschen so ganz ungewohnt erscheinen. Tentakel, da fallen uns Kraken, Quallen und bei zoologischer Vorbildung vielleicht noch die Mundtentakel von Schnecken ein, aber - wenn wir wirklich bei der Definition "länglicher, beweglicher Körperteil ohne Skelett" bleiben - dann gibt es viel mehr Tentakel und das sogar bei Wirbeltieren. Da wären zum einen die Tentakel an den Köpfen mancher Fische und bei Sägetieren finden wir am Elefanten nicht nur einen Rüssel, sondern auch noch einen erstaunlich beweglichen Penis. Damit können wir als Menschen natürlich nicht mithalten. Unsere Nase ist so richtig unbeweglich und unser männliches Geschlechtsorgan können wir zwar mit Blut aufpumpen und mit der Beckenmuskulatur ein wenig wippen lassen, aber damit hat's sich auch schon. Also keine Chance an der Tentakelfront? Weit gefehlt, denn wir haben da noch was zu bieten - ein fleischiges, hoch bewegliches, enorm sensitives Körperteil, dem wir viel zu wenig Aufmerksamkeit dafür geben, wie faszinierend es eigentlich ist. Also: Mund auf und hallo Zunge!
Wenn man Menschen nach der Zunge fragt, dann fällt den meisten erstmal ein, dass man sie herausstrecken kann und damit lecken, was beides in unserer Kultur eher negativ belegt ist oder sogar als eklig gilt.  Dann fällt manchen noch ein, dass man mit der Zunge schmecken kann und vielleicht, dass sie zum Sprechen wichtig ist, aber damit hat es sich meist - insgesamt also eher ein ganz nützliches, aber langweiliges Organ über das man lieber gar nicht viel redet? Okay, schauen wir mal ein klein bischen genauer hin und fangen mal damit an, was dieses Ding eigentlich so kann. Und dazu hätte ich erstmal eine kleine Übung: Probiert doch mal aus, wo im Mund ihr mit der Zungenspitze überall hinkommt...
Erstaunlich, oder? Ich kann mit meiner Zungenspitze alle Zähne bis zu den hintersten Backenzähnen auf den Kauflächen, sowie innen und außen abfahren und bis auf ganz hinten im Gaumen und unter der Zunge sind es fast überall die Wangen, die meine Zunge aufhalten, nicht ihre Beweglichkeit. Und das Tempo mit dem sie sich bewegen kann, kann sich problemlos mit Zehn-Fingertippen vergleichen! Außerdem kann sie natürlich ein ganzes Stück aus dem Mund herauskommen und hier den kompletten Lippenbereich berühren. Und sie kann sich verformen - bei mir als Zungenrollen bis zu einer kompletten Röhre zusammenrollen, aber eine Rinne formen kann sie bei jedem, vorne oder hinten oder mit ganzer Länge gegen den Gaumen reiben? Kein Problem! Sich im Mund um 90° drehen, so dass die Oberseite der Spitze zur Wange zeigt? Klappt auch! Und mit Beweglichkeit ist das Ding noch lange nicht am Ende seiner Fertigkeiten angekommen! Die Znge ist geradezu unglaublich tastempfindlich! Habt Ihr jemals nach dem Essen etwas zwischen den Zähnen gespürt und festgestellt, wie schwer es ist, das mit den Fingern wiederzufinden? Oder gemerkt, dass die Zähne sich rau anfühlen und mal mit dem Finger darüber gefahren, um nichts zu merken? Fingerspitzengefühl ist nichts gegen das was unser Mundtentakel kann! Und um einiges kräftiger als wir ihm zutrauen ist das Ding auch - versucht mal, welches Backwerk sich zwischen Zunge und Gaumen zerdrücken lässt - die Grenze liegt meist beim Schmerzempfinden das entsteht, nicht bei mangelnder Kraft. Und wer sich einmal ansieht, wie die Muskulatur aussieht, die unsere Zunge bewegt, wundert sich nicht mehr, was sie alles kann.
Und es lohnt sich, dem Ding mal bei der Arbeit zuzuschauen! Okay, es lohnt sich, bewusst darauf zu achten, was die Zunge so tut, denn sie tut das ja meist im Verborgenen, aber wenn man beim Essen darauf achtet, ist es doch ganz erstaunlich. Die Zunge greift zusammen mit den Lippen nach der Nahrung - oft erst, wenn die Nahrung im Mund ist, wo die Zunge von unten dagegen drückt, sich leicht heranrollt und den Hppen tiefer in den Mund zieht. Aber wenn wir etwas präzieser greifen wollen, wagt sie sich weiter hervor und nutzt ihre Beweglichkeit und die Haftung durch den Speichel zu ganz erstaunlichen Leistungen! Nicht nur können wir präziese kleinste Nahrungstropfen auflecken, auch kann die Zunge mit etwas Hilfe der Lippen einzelne Salatblätter oder Gurkenscheibchen aus einem Burger picken oder Spaghetti greifen - alles so schnell und geschickt, dass uns meist gar nicht auffällt, dass sie daran überhaupt beteiligt war. Ist das Essen im Mund, rollt sie sich darum, presst es zusammen, zerbricht Kekse mit Hilfe des Gaumens, portiniert die Masse und verteilt sie dann in die Wangen, wo die Zähne alles weiter zerkleinern. Bei jedem Kauen bewegt sie sich mit, portioniert, verteilt unzerkautes zwischen die Zähne und Brei in die Mitte des Munds und sortiert dabei oft genug noch Orangenkerne aus - alles während die Kiefer mit Kraft mahlen. Und fast immer ohne Unfälle! Und das ist nur die Alltagsarbeit - mit ein wenig Übung kann sie eine Olive so zwischen den Schneidezähnen drehen, dass das Fruchtfleich besser vom Kern getrennt wird als es möglich wäre, wenn wir die Frucht mit den Fingern halten und abnagen! Nach dem Kauen fährt sie die Kauflächen und die Innenseite der Wangen ab, reinigt den Mundraum und hilft beim Schlucken. Und all das tut sie auch zwischen den Mahlzeiten immer wieder, so ständig aktiv, dass es nur auffällt, wenn wir bewusstlos werden und eine erschlaffte Zunge die Atemwege versperren kann!
Unsere Zunge ist also ein ganz faszinierendes Mundwerkzeug, das uns hilft Nahrung aufzunehmen, zu zerkleinern, zu Schlucken und danach noch den mund reinigt. Und die grandiose Beweglichkeit, die sie hierfür braucht, macht sie erst zu dem Werkzeug, dass noch in anderen Bereichen brilliert. Da sie den Mundraum im Inneren beherrscht, kann sie den Schallraum beim Sprechen blitzschnell in so vielfältiger Weise verändern, dass sie all die unzähligen Nuancen beisteuert, die Sprache und Gesang erst so komplex machen. Und ein so tastfreudiges, kräftiges und geschicktes Organ kann natürlich auch sozial eine große Rolle spielen. Wir können einen Partner damit zärtlich berühren - im Mundraum heisst das Küssen, wenn wir erogene Zonen oder Genitalien berühren benutzen wir leider meist wenig positiv besetzte Begriffe wie Lecken oder Blasen und verachten dabei das enorme Geschick, das eine Zunge einbringen kann, von kitzelnd über reibend und massierend  - das einzige das die Tentakel aus manchen Sexphantasien der Zunge voraus haben ist die mögliche Eindringtiefe und selbst die meisten Männer sollten inzwischen wissen, dass es darauf nicht unbedingt ankommt...
Natürlich gibt es im Tierreich auch Zungen, die auf den ersten Blick noch spektakulärer wirken - etwa die Katapultzungen von Fröschen und Chamäleons, die auf Distant Beute fangen können, die lange Harpune mit der Spechte Maden aufspießen, die gefiederten Zungen Nektarleckender Tiere oder die raue Katzenzunge, die ebenso geschickt Wasser aufleckt wie sie Knochen und Fell säubert, ohne dass etwas an ihr hängen bleibt und die dabei noch äußerst effektiv Speichel verteilt. Aber gerade die Vielfalt von dem, was unsere Zunge kann, macht sie zu dem faszinierenden Organ, das sie ist. Also: Macht Euch mal den Spass, aufmerksam darauf zu achten, was Eure Zunge so macht und staunt über den stillen Jongleur in Eurem Mund!