Freitag, 26. Dezember 2014

Ein Abendessen (Kurzgeschichte)

Hinweis: Diese Kurzgeschichte mag der eine oder andere seltsam, kindisch oder geschmacklos finden. Das ist beabsichtigt ;)

Es ist achtzehn Uhr, als Paul und Tina an der Tür klingeln. Susi und Peter haben die beiden zu einem gemütlichen Abendessen eingeladen. Schon als Paul durch die Tür tritt strahlt er seine Gastegeber an. Er wirkt ein bischen aufgedreht, aber so ist Paul eben. Das Essen ist schmackhaft und die Unterhaltung lebhaft. Als alle aufgegessen haben, schiebt Paul den Teller von sich und lächelt in die Runde: "Stört es irgendwen, wenn ich mir einen runterhole?"
Als seine Gegenüber stocken, winkt Paul ab: "Kein Problem, ich kann dazu gerne ins Bad gehen. Ich wisch auch über die Klobrille und kippe das Fenster an."
Peter blickt kurz zu seiner Susi und fasst dann den Mut zu antworten: "Du, wir haben das Bad gerade frisch geputzt. Wenn Du unbedingt musst, könntest Du bitte auf den Balkon raus gehen?"
Paul seufzt sichtbar genervt: "Von 'müssen' kann keine Rede sein. Für mich ist das einfach etwas, das ich genieße. Das gehört für mich dazu. Aber raus ins Kalte gehe ich dafür jetzt nicht."
Jetzt muss Susi kurz auflachen: "Ihr müsstet ihn mal bei der Arbeit sehen, jede Stunde verschwindet er fünf bis zehn Minuten. Aber unser Chef ist da tolerant - der ist ja auch ein Wichser!"
"Ach," springt Tina ihrem Paul zu Seite, "so eine schlimme Angewohnheit ist das ja auch nicht. Früher habe ich auch oft masturbiert. Heute nur noch gelegentlich. Bei Parties, wenn ich viel getrunken habe. Aber Paul ist danach wirklich immer viel entspannter."
So richtig entspannt wird Paul den Rest des Abends nicht mehr, nimmt auch immer weniger an den Gesprächen teil und starrt zunehmend griesgrämiger zur Wand. Allzu bald fühlt Tina den Drang, zu erwähnen, wie anstregend die Woche doch war und dass man sich langsam auf den Weg machen sollte.
Kaum sind die beiden zur Tür heraus, greift sich Paul in die Hose und seufzt erleichtert auf. Den ganzen Weg zur Bushaltestelle ist er beschäftigt und dabei merklich entspannter und redefreudiger. Jetzt ist Tina ein wenig genervt, aber es kommt noch schlimmer.
Als sie an der Haltestelle angekommen sind, hat es zu Nieseln begonnen, so dass sich die Wartenden unter dem kleinen Dach drängen. Mehrere der Wartenden fühlen sich offenbar von Pauls Beschäftigung gestört, aber nur ein älterer Herr spricht ihn an: "Entschuldigen Sie, aber könnten Sie das hier vielleicht lassen? Sie stehen ja gerade vor dem Schild, das Wartende bittet, Rücksicht auf andere zu nehmen..."
Paul läuft rot an und dreht sich zu dem älteren Herrn, der sichtbar versucht, Abstand zu gewinnen, um nichts abzubekommen: "Sie sind doch hier der Rücksichtslose, soll ich etwa raus in den Regen?" Mit zwei, drei kräftigen Schnaufern wird Paul fertig, aber aus purem Trotz beginnt er die nächste Runde, auch wenn der Bus schon in Sicht ist und er sicher nicht mehr damit fertig wird. Was er auf dem Boden der Haltestelle hinterlässt, ist ihm dabei inzwischen völlig egal.
Auf der Heimfahrt merkt Paul, dass Tina inzwischen stinksauer ist. Aber er weiß, wie sich das besänftigen lässt. Zu Hause werden sie kurz streiten, sich dann zusammen an das offene Küchenfenster setzen - die eigenen neuen Sofakissen möchte man ja vor jeder Verunreinigung schützen - sich jeweils selbst befriedigen und dann ins Bett gehen.

Wenn Du denkst, dass Paul ein ernsthaftes Problem hat, am besten mal einen Therapeuten aufsuchen sollte und dass die Leute um ihn herum mit seiner Macke eigentlich viel strenger umgehen sollten, dann werde ich Dir nicht widersprechen. Immerhin ist Pauls Laster relativ ungefährlich. Es beugt Protstatakrebs vor, senkt den Blutdruck, wirkt Depressionen entgegen, hat eher positive Auswirkungen auf die Qualität seines Liebeslebens und gefährdet andere nicht, solange er dabei nicht Autofährt. Anders wäre das zum Beispiel bei anderern Lastern wie Rauchen, das bei Krebs, Blutdruck, Depression, Qualität des Liebeslebens und Gefährdung Anderer ganz anders abschneidt (Gemeinsam ist aber, dass es beim Autofahren gefährlich werden kann). Wie ich jetzt gerade auf Rauchen komme, kann ich Euch aber auch nicht sagen...

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