Montag, 24. Dezember 2018

Avifauna Europaea: Update 2018 - Nicht-Sperlingsvögel

Okay, es ist dringend an der Zeit, die Vögel mal wieder zu aktualisieren. Den Urlaub auf Kreta lasse ich erstmal aus und wir machen nur die Vögel, die mir seit letztem Mal in Deutschland neu begenet sind und die ich Euch noch nicht vorgestellt habe - oh, und die Sperlingsvögel kommen auch später... Also, ohne viel Drumherum, los geht's!

 

Ordnung Gänsevögel (Anseriformes), Familie Entenvögel (Anatidae)

Blässgans (Anser albifrons albifrons)
Blässgans (Anser albifrons albifrons)
Die relativ kleine Blässgans mit der weißen Blässe über dem Schnabel ist ein arktischer Brutvogel und bei uns ein Wintergast. Neben der Blässe ist ein gestreifter Bauch typisch, den man beim Schwimmen aber natürlich nicht sieht. Die Blässgänse auf dem Bild waren zusammen mit einem großen Schwarm Saatgänsen in den Mechtersheimer Tongruben bei Speyer, einem beliebten Winterrastplatz für verschiedene Gänse.

Rostgans (Tadorna ferruginea)
Rostgans (Tadorna ferruginea)
Die Rostgans ist eine Halbgans die in den asiatischen Steppen vorkommt und bei uns gelegentlich als Irrgast, meist aber als Gefangenschaftsflüchtlinge vorkommen und in manchen Gegenden auch brüten. Sie sind etwas kleiner als die Nilgans und rostbraun mit hellerem Kopf. Die Männchen haben einen schmalen schwarzen Halsring. In klassichen indischen Texten steht die Rostgans für Liebe und Treue und tatsächlich bleiben die Paare oft lange Zeit treu zusammen. Die Rostgans im Bild ist ein Tier aus einem Paar das ich in der Wagbachniederung getroffen habe.

Ordnung Ruderfüßer (Pelecaniformes), Familie Reiher (Ardeidae)

Kuhreiher (Bibulcus ibis)
Westlicher Kuhreiher (Bubulcus ibis)
Den westlichen Kuhreiher habe ich Euch schonmal aus Mexiko vorgestellt - da allerdings noch ohne Bild, seinen östlichen Verwandten in Sri Lanka. Heute also endlich mit Bild und von hier - wenn auch bei uns nur als recht seltener Irrgast, der eigentlich in Afrika und Teilen Südeuropas vorkommt. Das Paar im Bild war bei Waghäusel auf den Wiesen bei der Nahrungssuche unterwegs.


Kranich (Grus grus)
Ordnung Kranichartige (Gruiformes), Familie Kraniche (Gruidae)
Kranich (Grus grus)
Kraniche gehören in vielen Gegenden zum Herbst und Frühjahr, wenn sie in riesigen trompetenden Schwärmern ziehen - nur immer nicht da, wo ich gerade bin! Nachdem ich dieses Jahr extra nach Mainz in die Zugschneise gefahren bin, wo am Tag vorher tausende gemeldet waren... sind an dem Tag keine durchgezogen! Nachdem ich die Kraniche für dieses Jahr schon aufgegeben hatte, flog mir dann doch noch dieser Trupp vor die Kamera, so niedrig, dass sie sogar ein richtig gutes Bild abgaben - angelockt von Kranichrufen aus dem Vogelpark Roxheim. Gut Kraniche, wir sind versöhnt - und nächstes Jahr  dann mal die Massen, okay?

Rothalstaucher (Podiceps grisegena)

 

Odnung & Familie Lappentaucher (Podicipediformes, Podicipedidae)

Rothalstaucher (Podiceps grisegena grisegena)
Und mit diesem hübschen Gast auf dem Silbersee habe ich dann auch die europäischen Lappentaucher vollständig! Er ist ein Nordost-Europäer, der bei uns nur gelegentlich als Wintergast vorbeikommt und etwas kleiner als der Haubentaucher ist. Im prachtkleid wäre der Hals kräftig rotbraun. Wie bei manchen anderen Lappentauchern auch, sitzen die Jungvögel nach dem Schlüpfen auf dem Rücken der Eltern und halten sich da etwa zwei Wochen auf - das fehlt mir definitiv noch auf meiner Beobachtungsliste!

 

Ordnung Regenpfeiferartige (Charadriiformes), Familie Möwen (Laridae)

Schwarzkopfmöwe (Ichthyaetus melanocephalus)
Schwarzkopfmöwe (Ichthyaetus melanocephalus)
Diese relativ kleine Möwe ähnelt auf den ersten Blick der Lachmöwe, allerdings ist der Kopf wirklich schwarz und nicht schokoladenbraun und die Flügelspitzen sind nicht schwarz. Sie ist vor allem ein Südeuropäischer Küstenvogel, kommt aber gelegentlich auch im Inland vor, wie das Paar, das dieses Jahr in der Wagbachniederung gebrütet hat.

Ordnung Seglerartige (Apodiformes), Familie Segler (Apodidae)

Alpensegler (Tachymarptis melba melba)
Dieser große Segler mit dem hellen Bauch kommt inzwischen immer weiter nördlich der Alpen vor und in Freiburg und Stuttgart gibt es inzwischen Kolonien, ebenso in Bühl. Außer der Größe und dem Bauch lassen sie sich vom Mauersegler vor allem dadurch unterscheiden, dass sie nicht wie dieser schrill schreien, sondern einen trillernden Ruf haben.
 

Ordnung Greifvögel (Accipitriformes), Familie Habichtartige (Accipitridae)

Steinadler (Aquila chrysaetos)
Steinadler (Aquila chrysaetos chrysaetos)
Eines der ganz großen Highlights dieses Jahr, war der Steinadler im Allgäu. Vom ebenfalls oft dunkel braunen Mäusebussard ist er im Flug durch die Größe, die breiteren Flügel, die sechs "Fingerfedern" und die einheitlicher braune Farbe mit goldbraunem Kopf unterscheidbar. Außerdem haben sie viel kräftigere Klausen, denn Steinadler jagen größere Beute, die sie mit dem Griff töten, mit dem sie Schädel oder Rückgrate brechen können. Im Allgäu jagen sie Murmeltiere und Gemsen, in den asiatischen Steppen wurden sie aber auch zur Wolfsjagd abgerichtet und gelegentlich schlagen sie sogar Rentiere und in einem Paper sind erfolgreiche Angriffe auf Kälber dokumentiert - für einen 3 bis 6 kg schweren Vogel doch enorme Beutetiere, was ihn bei Bauern auch immer wieder unbeliebt gemacht hat und zu seiner flächendeckenden verfolgung führte. Heute sind unsere Mittelgebirge nicht mehr besiedelt, aber vielleicht gelingt mit dem richtigen Schutz wie beim Seeadler ja irgendwann die Rückkehr? 

Wespenbussard (Pernis apivorus)

Wespenbussard (Pernis apivorus
Auch den Wespenbussard habe im ich Allgäu aufgenommen. Zu erkennen ist er zumindest im adulten Kleid am grauen, schlanken Kopf und der gestreiften Flügelunterseite. Er ist ein ziehender Greifvogel und das hängt auch mit seiner Hauptbeute zusammen, die tatsächlich aus Wespennestern besteht, die er aufbricht. Ein steifes Kopfgefieder und enge Nasenlöcher schützen ihn dabei vor den wütenden Wespen. Obwohl er weltweit als nicht gefährdet gilt, ist er bei uns selten und eine der Bedrohungen ist leider der Abschuss auf den Zugrouten nach Afrika.

 

Ordnung Eulen (Strigiformes), Familie Echte Eulen (Strigidae)

Waldohreule (Asio otus otus)
Die relativ schlanke Waldohreule kommt bei Heidelberg vor und kann zur richtigen Jahreszeit abends mit einem dumpfen "huh" gehört werden, wenn sie sich abends zur Jagd bereit macht. Schlafplätze werden hier natürlich nicht genannt.

Waldkauz (Strix aluco)
Waldkauz (Strix aluco aluco)
Der Waldkauz ist die typische Eule, die wir uns vorstellen, sowohl vom Aussehen als auch mit seinem gruseligen "Huuuh-hu"-Ruf, den man im Sommer sogar in der Weststadt Heidelberg hört. Daneben gibt es ein charakteristisches kieksiges "Kwitt", da in der ansonsten ruhigen Nacht genauso schaurig klingt. Als Höhelbrüter braucht er alte Bäume und wie die meisten Eulen hält er sich tagsüber gut getarnt meist versteckt. Da Eulen tasgsüber relativ schlecht sehen, werden sie dann von anderen Vögeln häufig angegriffen und können sich dagegen kaum wehren - in der Dämmerung sind sie dagegen dann geradezu perfekte, lautlose Jäger - bis das letzte Licht weg ist und die Fledermäuse übernehmen...

Ordnung Falkenartige (Falconiformes), Familie (Falken)

Sakerfalke (Falco cherrug chgerrug)
Der große Sakerfalke ist ein Bewohner der südosteuropäischen und asiatischen Steppen. Dieses Jahr hatten wir einen jungen Falken, der regelmäßig bei Ilvesheim auf einem Strommast übernachtet hat. Als großer kräftiger Falke ist er bei Falknern beliebt und das führte leider zu einem massiven Handel mit Jungtieren, so dass die Art heute als stark bedroht gilt. In Südosteuropa gibt es allerdings inzwischen wieder wachsende Bestände, da hier die Brutplätze bewacht werden.


Ordnung Spechtvögel (Piciformes), Familie Spechte (Picidae)

Mittelspecht (Dendrocopos medius medius)
Dieser Specht ist etwas kleiner als der Buntspecht, wirkt aber zierlicher und mit dem schmaleren Schnabel niedlicher. Die Geschlechter sehen bei ihm fast gleich aus und haben beide eine rote Stirn. Er kommt in alten Wäldern mit viel Totholz vor, verhält sich da allerdings so unauffällig, dass man ihn häufig nicht zu Gesicht bekommt oder nicht einmal hört, dabei hat er eine recht vielseitige Stimme. Am Silbersee bei Roxheim ist er mir inzwischen mehrmals begegnet und eben auch einmal schön vor die Kamera geflogen.


Kleinspecht (Dendrocopos minor hortorum)
Bei diesem kleinen Specht, der kaum größer als eine Meise wirkt, haben nur die Männchen eine rote Stirn. Auch er liebt alte Wälder und besonders Auwälder. Im Winter ist er dabei sogar klein und geschickt genug, um Schilfhalme aufzumeisseln um an darin überwinternde Insekten zu kommen. Begegnet ist er mir in Waghäusel und bei Mainz in einer Schrebergartenanlage.

Wendehals (Jynx torquilla torquilla)
Unseren vielleicht ungewöhnlichster Specht habe ich zwar auf der Viernheimer Heide und der Sandhäuser Düne schon gehört, den gut getarnten Vogel aber noch nicht vor die Kamera bekommen. Und im Gegensatz zu Klein- und Mittelspecht zieht der Wendehals im Herbst, wenn weniger Laub im Weg ist auch weg... Naja, vielleicht nächsten Sommer!

 

Ordnung Rackenvögel (Coraciformes), Familie Bienenfresser (Meropidae)

Bienenfresser (Merops apiaster)
Zum Abschluss für heute habe ich noch einen besonders bunten Vogel. Der Bienenfresser ist eine wärmeliebende Art, die zur Zeit bei uns auf dem Vormarsch ist und in vielen Steinbrüchen brütet, die Steilwände bieten, in denen er seine Bruthöhle graben kann. Tatsächlich sind Bienen und Wespen neben anderen wehrhaften Insekten seine Beute. Sie werden im Flug gefangen und dann an einem Ast totgeschlagen und die Giftdrüsen ausgedrückt, um eine schmackhafte und ungefährliche Mahlzeit zu ergeben.

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So, und das war es für heute - nächstes Mal dann die Sperlingsvögel!

Sonntag, 9. Dezember 2018

Unser fantastischer, viel zu wenig beachteter Tentakel

Okay, was für ein Körperteil packt man in billiger Science-Fiction an einen Außerirdischen, wenn man ihn so richtig exotisch wirken lassen will? Richtig, einen oder mehrere Tanetakel! Lange, fleischige bewegliche Dinger ohne Knochen, die greifen und Tasten können und uns als Menschen so ganz ungewohnt erscheinen. Tentakel, da fallen uns Kraken, Quallen und bei zoologischer Vorbildung vielleicht noch die Mundtentakel von Schnecken ein, aber - wenn wir wirklich bei der Definition "länglicher, beweglicher Körperteil ohne Skelett" bleiben - dann gibt es viel mehr Tentakel und das sogar bei Wirbeltieren. Da wären zum einen die Tentakel an den Köpfen mancher Fische und bei Sägetieren finden wir am Elefanten nicht nur einen Rüssel, sondern auch noch einen erstaunlich beweglichen Penis. Damit können wir als Menschen natürlich nicht mithalten. Unsere Nase ist so richtig unbeweglich und unser männliches Geschlechtsorgan können wir zwar mit Blut aufpumpen und mit der Beckenmuskulatur ein wenig wippen lassen, aber damit hat's sich auch schon. Also keine Chance an der Tentakelfront? Weit gefehlt, denn wir haben da noch was zu bieten - ein fleischiges, hoch bewegliches, enorm sensitives Körperteil, dem wir viel zu wenig Aufmerksamkeit dafür geben, wie faszinierend es eigentlich ist. Also: Mund auf und hallo Zunge!
Wenn man Menschen nach der Zunge fragt, dann fällt den meisten erstmal ein, dass man sie herausstrecken kann und damit lecken, was beides in unserer Kultur eher negativ belegt ist oder sogar als eklig gilt.  Dann fällt manchen noch ein, dass man mit der Zunge schmecken kann und vielleicht, dass sie zum Sprechen wichtig ist, aber damit hat es sich meist - insgesamt also eher ein ganz nützliches, aber langweiliges Organ über das man lieber gar nicht viel redet? Okay, schauen wir mal ein klein bischen genauer hin und fangen mal damit an, was dieses Ding eigentlich so kann. Und dazu hätte ich erstmal eine kleine Übung: Probiert doch mal aus, wo im Mund ihr mit der Zungenspitze überall hinkommt...
Erstaunlich, oder? Ich kann mit meiner Zungenspitze alle Zähne bis zu den hintersten Backenzähnen auf den Kauflächen, sowie innen und außen abfahren und bis auf ganz hinten im Gaumen und unter der Zunge sind es fast überall die Wangen, die meine Zunge aufhalten, nicht ihre Beweglichkeit. Und das Tempo mit dem sie sich bewegen kann, kann sich problemlos mit Zehn-Fingertippen vergleichen! Außerdem kann sie natürlich ein ganzes Stück aus dem Mund herauskommen und hier den kompletten Lippenbereich berühren. Und sie kann sich verformen - bei mir als Zungenrollen bis zu einer kompletten Röhre zusammenrollen, aber eine Rinne formen kann sie bei jedem, vorne oder hinten oder mit ganzer Länge gegen den Gaumen reiben? Kein Problem! Sich im Mund um 90° drehen, so dass die Oberseite der Spitze zur Wange zeigt? Klappt auch! Und mit Beweglichkeit ist das Ding noch lange nicht am Ende seiner Fertigkeiten angekommen! Die Znge ist geradezu unglaublich tastempfindlich! Habt Ihr jemals nach dem Essen etwas zwischen den Zähnen gespürt und festgestellt, wie schwer es ist, das mit den Fingern wiederzufinden? Oder gemerkt, dass die Zähne sich rau anfühlen und mal mit dem Finger darüber gefahren, um nichts zu merken? Fingerspitzengefühl ist nichts gegen das was unser Mundtentakel kann! Und um einiges kräftiger als wir ihm zutrauen ist das Ding auch - versucht mal, welches Backwerk sich zwischen Zunge und Gaumen zerdrücken lässt - die Grenze liegt meist beim Schmerzempfinden das entsteht, nicht bei mangelnder Kraft. Und wer sich einmal ansieht, wie die Muskulatur aussieht, die unsere Zunge bewegt, wundert sich nicht mehr, was sie alles kann.
Und es lohnt sich, dem Ding mal bei der Arbeit zuzuschauen! Okay, es lohnt sich, bewusst darauf zu achten, was die Zunge so tut, denn sie tut das ja meist im Verborgenen, aber wenn man beim Essen darauf achtet, ist es doch ganz erstaunlich. Die Zunge greift zusammen mit den Lippen nach der Nahrung - oft erst, wenn die Nahrung im Mund ist, wo die Zunge von unten dagegen drückt, sich leicht heranrollt und den Hppen tiefer in den Mund zieht. Aber wenn wir etwas präzieser greifen wollen, wagt sie sich weiter hervor und nutzt ihre Beweglichkeit und die Haftung durch den Speichel zu ganz erstaunlichen Leistungen! Nicht nur können wir präziese kleinste Nahrungstropfen auflecken, auch kann die Zunge mit etwas Hilfe der Lippen einzelne Salatblätter oder Gurkenscheibchen aus einem Burger picken oder Spaghetti greifen - alles so schnell und geschickt, dass uns meist gar nicht auffällt, dass sie daran überhaupt beteiligt war. Ist das Essen im Mund, rollt sie sich darum, presst es zusammen, zerbricht Kekse mit Hilfe des Gaumens, portiniert die Masse und verteilt sie dann in die Wangen, wo die Zähne alles weiter zerkleinern. Bei jedem Kauen bewegt sie sich mit, portioniert, verteilt unzerkautes zwischen die Zähne und Brei in die Mitte des Munds und sortiert dabei oft genug noch Orangenkerne aus - alles während die Kiefer mit Kraft mahlen. Und fast immer ohne Unfälle! Und das ist nur die Alltagsarbeit - mit ein wenig Übung kann sie eine Olive so zwischen den Schneidezähnen drehen, dass das Fruchtfleich besser vom Kern getrennt wird als es möglich wäre, wenn wir die Frucht mit den Fingern halten und abnagen! Nach dem Kauen fährt sie die Kauflächen und die Innenseite der Wangen ab, reinigt den Mundraum und hilft beim Schlucken. Und all das tut sie auch zwischen den Mahlzeiten immer wieder, so ständig aktiv, dass es nur auffällt, wenn wir bewusstlos werden und eine erschlaffte Zunge die Atemwege versperren kann!
Unsere Zunge ist also ein ganz faszinierendes Mundwerkzeug, das uns hilft Nahrung aufzunehmen, zu zerkleinern, zu Schlucken und danach noch den mund reinigt. Und die grandiose Beweglichkeit, die sie hierfür braucht, macht sie erst zu dem Werkzeug, dass noch in anderen Bereichen brilliert. Da sie den Mundraum im Inneren beherrscht, kann sie den Schallraum beim Sprechen blitzschnell in so vielfältiger Weise verändern, dass sie all die unzähligen Nuancen beisteuert, die Sprache und Gesang erst so komplex machen. Und ein so tastfreudiges, kräftiges und geschicktes Organ kann natürlich auch sozial eine große Rolle spielen. Wir können einen Partner damit zärtlich berühren - im Mundraum heisst das Küssen, wenn wir erogene Zonen oder Genitalien berühren benutzen wir leider meist wenig positiv besetzte Begriffe wie Lecken oder Blasen und verachten dabei das enorme Geschick, das eine Zunge einbringen kann, von kitzelnd über reibend und massierend  - das einzige das die Tentakel aus manchen Sexphantasien der Zunge voraus haben ist die mögliche Eindringtiefe und selbst die meisten Männer sollten inzwischen wissen, dass es darauf nicht unbedingt ankommt...
Natürlich gibt es im Tierreich auch Zungen, die auf den ersten Blick noch spektakulärer wirken - etwa die Katapultzungen von Fröschen und Chamäleons, die auf Distant Beute fangen können, die lange Harpune mit der Spechte Maden aufspießen, die gefiederten Zungen Nektarleckender Tiere oder die raue Katzenzunge, die ebenso geschickt Wasser aufleckt wie sie Knochen und Fell säubert, ohne dass etwas an ihr hängen bleibt und die dabei noch äußerst effektiv Speichel verteilt. Aber gerade die Vielfalt von dem, was unsere Zunge kann, macht sie zu dem faszinierenden Organ, das sie ist. Also: Macht Euch mal den Spass, aufmerksam darauf zu achten, was Eure Zunge so macht und staunt über den stillen Jongleur in Eurem Mund!

Sonntag, 14. Oktober 2018

Das grandioseste Lebewesen, von dem die meisten Menschen nicht mal gehört haben...

Es heisst immer wieder, der mensch sei das Lebewesen, das die Erde stärker beeinflusst als jedes andere. Bedenkt man, wie wir die Erdoberfläche verändern, das Klima beeinflussen, Arten ausrotten und so weiter, dann erscheint das eine naheliegende Behauptung zu sein. Und doch... es gibt da vielleicht Konkurrenz um den Titel. lasst mich Euch ein kleines Lebewesen vorstellen, das die mesnchliche Vorstellungskraft sprengt! Sagt hallo zu Prochlorococcus marinus.
Prochlorococcus marinus ist ein Cyanobakterium - eine Gruppe von photosynthetisch aktiven Bakterien, die auch als Blaualgen bezeichnet werden und zu denen auch die Vorfahren der Chloroplaste gehören, die Pflanzen die Photosynthese ermöglichen. Prochlorococcus marinus ist klein, mit einem Durchmesser von 0,5 bis 0,7 µm bräuchte man über 100 von ihnen um die Länge einer menschlichen zelle zu erreichen und über 1000 für einen Millimeter. Dafür gibt es viel, nein unfassbar viele und nein, unfassbar ist ein viel zu schwaches Wort, um auch nur einen Eindruck davon zu geben, wie viele - tatsächlich gibt es von Prochlorococcus marinus so viele Individuen, dass es unfassbar viel mehr davon gibt als von den meisten Dingen, von denen wir sagen, es gäbe unfassbar viele. Wie viele? Okay, ich versuche das mal begreifbar zu machen...
Prochlorococcus marinus kommt weltweit in Meeren mit einer Wassertemperatur von mehr als 10°C vor. In einem Milliliter Oberflächenwasser können dabei weit über 100.000 Zellen vorkommen. In einem Liter wären damit 100 Millionen Zellen, auf einen Quadratmeter Wasseroberfläche kommen 100 bis 10.000 Milliarden Zellen. Und weltweit? Nun ja, da kommen Schätzungen auf etwa 3*10hoch27 Zellen, oder in normaler Schreibweise 3.000.000.000.000.000.000.000.000.000. Für die Chemiker unter Euch, das sind 5.000 mol Zellen - das entspricht der Zahl der Atome in einer Tonne Gold oder der Zahl der Moleküle in 275 Litern Wasser. Und während die Chemiker gerade ihre Kinnladen wieder aufheben, müssen wir das für den Rest vielleicht noch ein wenig anschaulicher machen. Schauen wir mal, wie das asussieht, wenn wir es mit anderen großen Zahlen vergleichen...
Auf der Erde leben über 7 Milliarden Menschen, damit kommen auf jeden Menschen über 400 Billiarden Prochlorococcus marinus-Zellen. Okay... das hilft gar nicht. 
Wie sieht es mit Sand am Meer aus? Es gibt Schätzungen, dass es etwa 7*10hoch18 Sandkörner auf der Erde gibt, also etwa eine Milliarde pro Menschen! Das heisst aber dass auf jedes Sandkorn auf der Erde immer noch über 400 Millionen Prochlorococcus marinus-Zellen kommen...
Aber da fällt mir ein, dass unser erster Vergleich ja unfair war! Ein Mensch besteht ja nicht aus einer Zelle! Die besten Schätzungen gehen von etwa 30*10hoch12 oder 30.000.000.000.000 Zellen pro Mensch aus - damit kommen wir für die Menschheit als ganzes auf etwa 2*10hoch24 menschliche Zellen, anders ausgedrückt: Ein tausendstel der Individuenzahl von Prochlorococcus marinus...
Okay, ein letzter Versuch: Wie viele Sterne gibt es im sichtbaren Universum? Auch das ist schwierig zu schätzen, aber interessanter Weise kommt man da auf ungefähr die gleiche Zahl wie bei den menschlichen Zellen, also eine 1 mit 24 Nullen. Und wieder gewinnt Prochlorococcus marinus.
Und als wäre das nicht genug, teilen sich die Biester im Schnitt etwa einmal am Tag, das heisst die  3.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Zellen erzeugen Tag für Tag etwa genauso viele neue Zellen, die dann sterben oder gefressen werden. Und dann beginnt man zu ahnen, welche Bedeutung Prochlorococcus marinus für die Welt auf der wir leben hat, denn wer in solchen Mengen vorkommt, ist ein bedeutender Spieler im gesamten Lebenskreislauf des Meeres. Allerdings gibt es hier mit Pelagibacter ubique einen Konkurrenten, denn von Pelagibacter gibt es sogar etwa zehnmal so viele Zellen!
Was Prochlorococcus aber für uns viel, viel wichtiger macht, ist die Photosynthese, denn wer in solchen Mengen vorkommt, hat auch daran einen gewaltigen Anteil und im Fall von Prochlorococcus heisst gewaltig, dass auf diese Bakterien etwa 20% der gesamten Weltphotosyntheseleistung entfällt. 20%! Zwanzig verdammte Prozent! Der Sauerstoff in jedem fünften Atemzug, jedes fünfte Molekül CO2 das aus der Atmosphäre entfernt wird, jedes fünfte Ozonmolekül das uns vor UV-Strahlung schützt und jedes fünfte Kohlenstoffatom, das in Lebewesen vorkommt verdanken wir Prochlorococcus marinus! Und diese 20% sind eher am unteren Ende der Schätzungen...
Kein anderes Lebewesen dürfte für die Welt, wie wir sie kennen, und wie wir sie brauchen, um darauf überleben zu können auch nur annährend so wichtig zu sein. Und wir wissen wenig über Prochlorococcus marinus. Können die kleinen Kerlchen mit dem Klimawandel mithalten? Können sie davon sogar profitieren? Gibt es andere Bakterien, die ihre Rolle übernehmen könnten, wenn Prochlorococcus marinus  aus irgend einem Grund schlapp machen sollte?
Sicher ist nur eins: Wenn wir uns als Menschen einmal klein und unbedeutend fühlen wollen, dann müssen wir den Blick nicht unbedingt auf die Sterne richten. Manchmal reicht es, sich eines ganz, ganz winzigen Lebewesens bewusst zu werden.

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Mehr zu Prochlorococcus marinus gibt es natürlich in der deutschen oder englischen Wikipedia, bei Spiegel Online, bei Science oder auch bei Youtube.

Montag, 23. April 2018

Avifauna Europaea: Update 2018 Teil 1

Na, das letzte "heimische" Vogelupdate ist ja schon eine Weile her, da wird es dringend Zeit, Euch zu zeigen, was mir inzwischen begegnet ist! Diesmal decken wir vor allem 2017 mit einem Spiekeroog- und einem Allgäuurlaub, sowie einen Kurztrip nach Cornwall ab, aber auch einiges aus der Heidelberger Umgebung - in Teil 1 alles bis zu den Greifvögeln.

Ordnung Gänsevögel (Anseriformes), Familie Entenvögel (Anatidae)

Ringelgans (Branta bernicla bernicla)
Ringelgans (Branta bernicla bernicla)
Diese kleine Gans, die im hohen Norden brütet, ist bei uns im Winter an der Küste anzutreffen -wie zum Beispiel im Januar auf Spiekeroog. Von den beiden Tiere auf dem Bild ist das linke ohne den weißen Halsring ein Jungtier.


Spießente (Anas acuta)
Spießente (Anas acuta)
Auch diese hübsche Ente kommt bei uns vor allem als Wintergast vor. Während die Weibchen wie bei den meisten Entenarten relativ unauffällig braun sind, fallen die Männchen durch das kontrastreiche Federkleid und die lang ausgezogenen Schwanzfedern sofort auf. Das Bild ist von der Weschnitzinsel bei Lorsch.

Pfeifente (Anas penelope)
Pfeifente (Anas penelope)
Noch ein Wintergast bei uns und vor allem an der Küste und wieder sind die Männchen die auffälliger. Der Name könnte sich sowohl auf die pfeifende Stimme als auch auf das charakteristische, pfeifende Fluggeräusch beziehen. Das lateinische Artepitheton bezieht sich auf eine Sage, anch der eine Ente Penelope, die Frau von Odysseus vor dem Ertrinken gerettet haben soll.

Reiherente (vorne) und Ringschnabelente (hinten)
Ringschnabelente (Aythya collaris)
Die der Reiherente sehr ähnliche Ringschnabelente hat keinen Schopf und liegt höher im Wasser. Sie kommt bei uns als Irrgast aus dem hohen Norden Nordamerikas vor.

Bergenten (Aythya marila marila)
Bergente (Aythya marila marila
Eine weitere Ente, die der Reiherente auf den ersten Blick ähnelt, aber auch keinen Schopf besitzt und zudem einen gesprenkelten statt schwarzen Rücken hat, besucht uns auch vor allem im Winter, im Norden häufiger, bei uns im "tiefen Inland" nur vereinzelt. Die Weibchen fallen vor allem durch das ausgedehnte weiß am Schnabelgrund auf.


Samtente (Melanitta fusca)
Samtente (Melanitta fusca)
Die Samtente ist eine Meerente, die im Winter regelmäßig im Binnenland auftaucht, so letztes Jahr auch mal auf dem Neckar.


Mittelsäger (Mergus serrator)
Mittelsäger (Mergus serrator)
Und noch ein Wintergast aus der Gänsefamilie. Der Mittelsäger ist kleiner als der Gänse- aber größer als der Zwergsäger und kommt nur gelegentlich ins Binnenland. Die drei Tiere im Bild hatten sich die Weschnitzinsel bei Lorsch ausgesucht.


Ordnung Schreitvögel (Ciconiiformes), Familie Störche (Ciconiidae)

Schwarzstorch (Ciconia nigra)
Schwarzstorch (Ciconia nigra)
Der Schwarzstorch ist einer unserer schönsten und spektakulärsten Vögel, aber schwer zu beobachten, da er gewöhnlich sehr scheu ist und auch nur in größeren, wenig gestörten Wäldern mit Fließgewässern brütet. Trotzdem breitet sich die Art derzeit anscheinend in Westeuropa wieder eher aus, ist aber nach wie vor relativ selten. In der germanischen Mythologie war der Schwarzstorch ein Begleiter des Gottes Odin. Das Jungtier im Bild drehte ein paar Kreise über dem Altrhein bei Lampertheim - Odin war leider nirgends zu sehen...


Zwergdommel (Ixobrychus minutus minutus)

Ordnung Ruderfüßer (Pelecaniformes), Familie Reiher (Ardeidae)

Zwergdommel (Ixobrychus minutus minutus) 
Dieser kleine Reiher lebt meist sehr verborgen und fällt eher durch seine Rufe auf als dass man ihn zu Gesicht bekommt. Anstatt wie z.B. Graureiher durch flaches Wasser zu schreiten, klettern sie eher durch das Schilf und lauern dort auf Beute. Bei Gefahr recken sie den Kopf nach oben und verharren wie die größere Rohrdommel in der sogenannten "Pfahlstellung". Das Männchen im bild stammt aus der Wagbachniederung.


Ordnung Regenpfeiferartige (Charadriiformes)

Dreizehenmöwe

Familie Möwen (Laridae)

Dreizehenmöwe (Rissa tridactyla tridactyla)
Dreizehenmöwe
Diese in Felsklippen brütende Möwe ist nach ihrem Fuß benannt, der keine Hinterzehe besitzt. Sie ist kleiner und zierlicher als eine Silbermöwe und im Flug relativ gut an den schwarzen Flügelspitzen zu erkennen, die so scharf begrenzt sind, dass der Flügel wie in Tusche getunkt wird. Begegnet ist sie mir in Cornwall.

Goldregenpfeifer

Familie Regenpfeifer (Charadriidae)

Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria)
Dieser Brutvogel Nordeuropa taucht bei uns vor allem auf dem Durchzug und dann ohne den goldenen Rücken und schwarzen Bauch des Prachtkleids auf. Nur in Niedersachsen gibt es ein paar deutsche Brutpaare. Begegnet ist er mir auf Spiekeroog.

Zwergschnepfe

Familie Schnepfenvögel (Scolopacidae)

Zwergschnepfe (Lymnocryptes minimus)
Diese winzige Schnepfe brütet ebenfalls im hohen Norden und zieht über Mitteleuropa in die Tropen. Wenn sie sich bedroht fühlt, drückt sie sich meist gegen den Boden und verlässt sich auf ihre Tarnung, was bei einem so kleinen und unauffälligen Vogel auch gut funktioniert. Das Tier im Bild stammt aus der Wagbachniederung.


Odinshühnchen
Odinshühnchen (Phalaropus lobatus)
Odinshühnchen sind eine arktische Schnepfenart, die teilweise über die Nordseeküste in die Tropen zieht - und manchmal eben auch in der Wagbachniederung landet. Bei den Odinshühnchen und den nah verwandten Thorshühnchen sind ungewöhnlicher Weise die Weibchen farbiger und balzen aktiv um die Männchen. Nur zur Paarung darf er dann klassisch aufsitzen, das Brüten übernimmt dann wieder das unauffälligere Männchen.

Familie Säbelschnäbler (Recurvirostridae)

Stelzenläufer (Himantopus himantopus)
Stelzenläufer (Himantopus himantopus)
Diesen schönen, langbeinigen und -schäbligen Vogel habe ich Euch bereits aus Sri Lanka vorgestellt und bei meinem Paarungsblogbeitrag, aber die beiden sind einfach zu hübsch und lieblich, um sie nicht noch einmal zu zeigen!
Säbelschnäbler (Recurvirostra avosetta)
Säbelschnäbler hatte ich beim ersten Spiekeroogbesuch seit langem vermisst, da sie durch ein unglückliches Zusammenkommen von Wetterlage und Pferden in dem Jahr von ihrer angestammten Brutwiese verscheucht worden waren. Dafür hat es dann beim nächsten Mal geklappt, wenn auch nur im Morgenlicht bei der Abfahrt mit der Fähre. rotzdem ein hübscher und eleganter Vogel!




Und das waren für heute die Vögel, von denen ich Bilder habe, nur gehört oder zu flüchtig gesehen für ein Foto habe ich noch die folgenden:

Ordnung Schwalmartige (Caprimulgiformes), Familie Nachtschwalben (Caprimulgidae)

Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus europaeus)
Diesen hervorragend getarnten Vogel, dessen Gesang ein bischen wie ein altes Modem klingt, kann man zum Beispiel in der Dämmerung auf der Virnheimer Heide hören. Sein für Menschen seltsames Auftreten und die Jagd nach Fliegen in der Nähe von Ställen hat wohl zu der antiken Legende geführt, er würde als nächtlicher Dämon Ziegen aussaugen.

Ordnung Greifvögel (Accipitriformes), Familie Habichtartige (Accipitridae)

Habicht (Accipiter gentilis gentilis)
Der Habicht ist die größere und bulligere Ausgabe des Sperbers und Vogel des Jahres 2015. Er jagt im Gegensatz zum ähnlich großen Mäusebussard bodennah, auch im Unterholz, notfalls zu Fuß, Vögel und Säugetiere. Da er auch häufig von Jägern geschätzte Tiere wie Hasen oder gelegentlich Geflügel ("Hühnerhabicht") schlägt, gehört er zu den am stärksten verfolgten und damit auch scheusten Greifvögeln. Obwohl die Tötung von Greifvögel bei uns heute streng verboten ist, kommt es leider immer noch immer wieder vor, wobei Jäger und Geflügelzüchter 100% der Täter ausmachen. Daher auch hier keine Angabe, wo man ihn findet.

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Und das war es für heute, nächstes Mal kommen die Singvögel, Spechte und ein besonders bunter Vogel!

Dienstag, 17. April 2018

Libellen in Heidelberg (und ein paar von anderen Orten)


Zur Abwechlung gibt es heute mal keine Vögel - aber keine Angst, ich mache Euch die Umstellung leicht und bleibe erstmal bei fliegenden Tieren: Libellen!

Libellen sind außergewöhnlich gute Jäger - manche Arten erreichen bei ihrer bevorzugten Beute Erfolgsquoten über 90%. Löwen schaffen selten 30% und selbst bei Wildhunden mit ihrer ausgeklügelten Jagd im Rudel schlägt noch jede dritte Jagd fehl. Das liegt zum einen an ihren großen Facettenaugen, mit denen sie scharf schnelle Bewegungen vor hellem Hintergrund verfolgen können. Dazu kommen vier einzeln steuerbare Flügel - bei den meisten Insekten werden die Flügel gemeinsam durch Zusammenziehen der Brust geschlagen, was energieeffizienter ist - aber die Manövrierfähigkeit des Vierflügelantriebs ist unübertroffen - stabilisiert wird der Flug durch den langen Hinterleib. Und dann sind da die Beine, die nach vorne gerichtet sind, um einen Fangkorb zu bilden - Laufen können Libellen damit kaum mehr, so dass sie auch für kleine Positionswechsel normalerweise fliegen.
Großlibellenlarve
Ebenso spektakulär wie der Beutefang ist die Paarung. Das Männchen greift dazu das Weibchen am Hinterkopf oder vorne am vorderen Rücken und die beiden können so als Tandem fliegen. Dann biegt das Weibchen seinen Hinterleib nach vorne, um Sperma vom Männchen aufzunehmen und beide bilden das sogenannte Paarungsrad. Bei der dann folgenden Eiablage kann das Männchen das Weibchen weiter bewachen, so dass sie wieder als Tandem weiterfliegen. Auch die Larven, die sich aus den Eier entwickeln sind schon erfolgreiche Jäger, die ihre Beute mit einer Fangmaske fangen, die sie blitzschnell unter dem Kopf ausklappen können.
Innerhalb der Libellen lassen sich zwei Unterordnungen unterscheiden: Die pfeilschnellen Großlibellen mit riesigen Augen und in Ruhe seitlich ausgestreckten Flügeln und die langsamer, taumelnder fliegenden Kleinlibellen, die ihre Flügel in Ruhe über dem Rücken zusammenlegen.

Großlibellen (Anisoptera)

Edellibellen (Aeshnidae)

Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea

Weibliche blaugrüne Mosaikjungfer
Blaugrüne Mosaikjungfer (Männchen)
Die Großlibelle schlechthin bei uns ist sehr häufig von Juli bis Oktober an langsam fließenden oder stehenden Gewässern, auch an Gartenteichen anzutreffen. Die Männchen haben eine hellgrüne Brust und einen blauen Hinterleib und die Weibchen sind vollständig grün. Die blaugrüne Mosaikjungfrer jagt indem sie ihr Revier nach Beute abfliegt und kann sich dabei auch ziemlich weit vom Wasser entfernen. In Heidelberg trifft man sie im Botanischen Garten und an vielen Teichen aber auch im Bergfriedhof patrouillierend an.

Große Königslibelle (Anax imperator)
Große Königslibelle (Männchen)
Große Königslibelle (Weibchen)
Diese beeindruckende  Libelle steht der blaugrünen Mosaik-jungfer in Größe nicht nach und findet sich von Juni bis August an ähnlichen Gewässern mit ähnlicher Jagdweise. Am leichtesten zu unterscheiden sind die Arten durch die bei der Königslibelle fehlende dunkle Musterung der Brustseiten.

Segellibellen (Libellulidae)

Plattbauch (Libellula depressa
Plattbauch

Der Plattbauch ist durch seinen breiten, abgeflachten Hinterleib unverwechselbar. Dieser ist bei den Männchen hellblau, bei den Weibchen erst gelbbrau und bei älteren Tieren dunkler. Sie leben ebenfalls an kleinen stehenden Gewässern, sind aber wie die anderen Segellibellen auch im Gegensatz zu den Edellibellen Ansitzjäger, die auf Beute lauern und ihr dann in schnellem Flug folgen. Das macht es natürlich auch deutlich einfacher, sie zu fotografieren! Sie fliegen von Mai bis Juli.



Vierfleck (Libellula quadrimaculata)
Vierfleck
Vierfleck
Diese hübsche Libelle findet sich an kleinen Weihern und in sumpfigen Gebieten und ist an ihrer Flügelzeichnung leicht zu erkennen. Die Färbung ist variabel, wobei sich die Geschlechter nicht auffällig unterscheiden. Eine Besonderheit ist, dass Vierflecke in zum Teil sehr großen Schwärmen wandern, die mehrere Milliarden Tiere umfassen können! Zu beobachten ist sie von Mai bis August.


Großer Blaupfeil (Männchen)
Großer Blaupfeil (Orthetrum cancellatum)
Großer Blaupfeil (altes Weibchen)
Bei dieser Libelle ähnelt das Männchen einem nicht platten Plattbauch, die Weibchen sind gelb mit einem schwarzen Gittermuster und verblassen später. Der große Blaupfeil bevorzugt sonnige Gewässer und sonnt sich auch gerne auf Steinen oder an anderen freien Bodenflächen. Sie sind von Mai bis September anzutreffen.

Blutrote Heidelibelle (Sympetrum sanguineum)
Blutrote Heidelibelle
Die untereinander recht ähnlichen Heidelibellenarten sind relativ klein für Großlibellen und die Männchen sind leuchtend rot. Bei der blutroten Heidelibelle sind die Beine komplett schwarz. Die Weibchen sind meist bräunlich-gelbrot, können aber auch komplett rot sein. Die Art kommt an kleinen Stillgewässern vor und fliegt von Juli bis November.





Große Heidelibelle (Sympetrum striolatum)
Große Heidelibelle (Paarung)
Die große Heidelibelle ist etwas größer als die blutrote, hat schwarze Beine mit hellen Längsstreifen, eine schwarz gemusterte Brust mit helleren Seitenstreifen und die Stirn ist bis zu den Augen schwarz. Sie fliegen von Juni bis November an flachen, warmen Gewässern und zum Beispiel auch in Sandgruben.








Gemeine Heidelibelle
Gemeine Heidelibelle (Sympetrum vulgatum)
Diese der großen Heidelibelle sehr ähnliche Art ist nur etwas kleiner, hat eine schwarze Stirnzeichnung, die etwas an den Augen herabläuft und weniger gemusterte Brustseiten.Sie fliegt von Juni bis November an vielen verschiedenen Kleingewässern.



Kleinlibellen (Zygoptera)

Prachtlibellen (Calopterygidae)

Gebänderte Prachtlibelle (Weibchen)
Gebänderte Prachtlibelle (Männchen)
Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens)
Diese häufige und auffällige Kleinlibelle fliegt von Mai bis September an langsam fließenden, sonnigen Gewässern wie dem Neckar, wobei die Männchen in einem schmetterlingsartig wirkenden Flug ihre blauen Flügelmale präsentieren und so wohl Konkurrenten und die unauffälligeren Weibchen zu beeindrucken versuchen.

Schlanklibellen (Coenagrionidae)

Hufeisen-Azurjungfern (Paarung)
Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella
Diese ebenfalls sehr häufige Art kommt eher an stehenden Gewässern vor und fliegt von Mai bis August. Auffällig bei der Paarung ist, dass die Männchen die Weibchen bei der Eiablage bewachen und man die Paare so oft über längere Zeit gemeinsam beobchten kann. Der Name stammt von einem hufeisenförmigen Mal auf dem zweiten Hinterleibssegment der Männchen.



Fledermaus-Azujungfer
Fledermaus-Azurjungfer (Coenagrion pulchellum
Bei dieser weiteren Art aus der Gattung der sich unterienander sehr ähnlichen Azurjungfern sieht die Zeichnung auf dem zweiten Hinterleibssegment der Männchen ein wenig wie eine Fledermaus aus (auf das Bild kilcken für Vergrößerung). Sie fliegt von Mai bis Juni an tiefen stehenden Gewässern.

Kleines Granatauge
Kleines Granatauge (Erythromma viridulum
Beim kleinen Granatauge haben die Männchen auffällig rote Augen. Dem sehr ähnlichen großen Granatauge fehlt im vergleich die X-förmige Zeichnung auf dem zehnten Hinterleibssegment. Als wärmeliebende Art breitet sich das Granatauge derzeit in Mitteleuropa aus und fliegt von Juni bis September am Rande der Schwimmblattzone von Gewässern.

Große Pechlibelle
Große Pechlibelle (Ischnura elegans
Erkennbar am pechschwarzen Hinterleib mit einem hellblauen "Schlusslicht" (Das weiter vorne liegt als bei der kleinen Pechlibelle) fliegt die große Pechlibelle von Mai bis September. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schlanklibellen lassen die Männchen die Weibchen bei der Eiablage alleine. Sie besiedeln alle möglichen stehenden oder langsam fließenden Gewässer und sind relativ anspruchlos.

Teichjungfern (Lestidae)

Weidenjungfer
Weidenjungfer (Chalcolestes viridis
Diese wunderschön metallisch grüne Libelle ist die häufigste Teichjungfer bei uns und fliegt von Juli bis Oktober an langsam fließenden oder stehenden Gewässern mit Weicholzbeständen wie Weiden am Ufer. Auch hier werden die Weibchen bei der Eiablage von ihren Männchen begleitet. Sie legen ihre Eier bevorzugt von über das Wasser hängenden Zweigen ab.
Die Weidenjungfer habe ich auf Spiekeroog fotografiert.





Gemeine Binsenjungfer (Lestes sponsa
Weidenjungfer
Diese metallisch grüne und hellblaue Libelle besidedelt Tümpel und Moore, die auch gelegtnlich trockenfallen dürfen, da ihre Eier dies überleben können. Sie fliegt von Mai bis Oktober.
Die gemeine Binsenjungfer habe ich auf Spiekeroog fotografiert.

 






Federlibellen (Platycnemididae)

Blaue Federlibelle (Männchen)


Blaue Federlibelle (Platycnemis pennipes)
Diese zart gebaute Kleinlibelle hat ihren Namen von den mit Borsten bestandenen Beinen, die dadurch wie Federn aussehen. Sie kommt an stehenden und langsam fließenden Gewässern mit vielen Wasserpflanzen vor.
Blaue Federlibelle (Weibchen)