Samstag, 31. Dezember 2022

Der Grüne Planet: Kapitel 15 – Was hat ET in seinem Blumentopf?

Nach was würdest Du suchen, wenn Du wissen wolltest, ob es auf einem fremden Planeten komplexes Leben gibt? Photosynthese wäre ein guter Anfang, denn kein biochemischer Prozess hat unseren eigenen Planeten so geformt, wie sie. Aber woran erkennt man aus dem All, ob auf einem Planeten Photosynthese stattfindet? Und muss Photosynthese eigentlich auf anderen Welten so aussehen wie bei uns? Würden wir überhaupt nach den richtigen Zeichen suchen? Schauen wir uns das doch einmal ein bisschen an!

Aus der größten Distanz wäre wohl die Veränderung der Atmosphäre zu erkennen. Wenn nämlich das Licht eines Sterns durch die Atmosphäre eines Planeten fällt, verändert es sich abhängig von der Zusammensetzung dieser Atmosphäre – und das könnte man selbst dann messen, wenn man noch keine Details der Welt sonst erkennen kann. Unsere irdische Photosynthese hat aus einer usrprünglich wohl aus Kohlendioxid und Stickstoff bestehenden Atmosphäre eine aus Sauerstoff und Stickstoff gemacht. Das hatte dramatische Konsequenzen! Nicht nur war Sauerstoff für viele frühe Lebewesen giftig, da er so reaktiv ist und hat damit das wohl größte Massenaussterben der Erdgeschichte ausgelöst – die gleiche Reaktivität macht ihn aber auch zu einem idealen Teil des Stoffwechsels komplexer Lebewesen – Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen. Sauerstoff war also wahrscheinlich auch Beschleuniger und Ermöglicher der Entwicklung komplexen Lebens.

Daneben hat Sauerstoff noch eine andere wichtige Rolle gespielt: In der oberen Atmosphäre bildet er eine Ozonschicht, die schädliches UV-Licht abfängt und so Lebewesen vor Schäden und zu vielen Mutationen schützt. Er war daher wohl auch entscheidend dafür, dass das Leben das schützende Wasser verlassen und an Land gehen konnte.

Auch das Entfernen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre war eine Revolution. Zum einen holten Pflanzen damit gewaltige Mengen an Kohlenstoff aus der Luft und haben sie für Lebewesen verfügbar gemacht – die auf unserer Welt vorhandene und mögliche Biomasse wurde also mit der Photosynthese um ein Vielfaches größer! Gleichzeitig sank mit der Abnahme der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre auch der Treibhauseffekt und das sorgt dafür, dass wir heute angenehme Temperaturen für das Leben haben und keinen brütenden Höllenofen wie auf unserem Schwesterplaneten Venus.

Noch auf ein weiteres Gas haben Pflanzen aber einen gewaltigen Einfluss: Wasserdampf! Dieser gelangt dank der pflanzlichen Transpiration überall dort in die Luft, wo Vegetation wächst, sonst würde er überwiegend über Wasserflächen verdunsten. Das verschiebt den gesamten Wasserkreislauf der Erde, beeinflusst die Entstehung von Wolken und letztendlich Niederschläge, Flüsse und so weiter.

Unerwartet viel Sauerstoff, eine Ozonschicht, wenig Kohlendioxid und ein unerwarteter Wasserkreislauf wären also die Merkmale, die wir bei einer Atmosphäre erwarten würden, wenn auf einem Planeten Photosynthese wie auf unserer Erde stattfindet. Aber schauen wir die einzelnen Komponenten einmal genauer an, könnten sie nicht auch anders aussehen?

Zuerst der Sauerstoff: Bei unserer Photosynthese stammt er aus Wasser und liefert Elektronen, die deshalb so geeignet sind, weil sie genug Energie tragen, um verschiedene biochemische Reaktionen anzutreiben. Und das sind auch schon die Eigenschaften, die die sauerstoffbildenede Photosynthese fast alternativlos als Antrieb einer komplexen Biosphäre macht. Wasser ist eine der häufigsten Verbindungen im Universum und als hervorragendes Lösungsmittel wahrscheinlich für zumindest das meiste vorstellbare Leben unverzichtbar.

Es gibt zwar auf der Erde auch andere Arten der Photosynthese in Bakterien, die andere Substanzen nutzen, um Elektronen zu gewinnen, diese sind aber weniger effektiv, da diese Substanzen meist in viel geringerer Menge verfügbar sind und weniger Energie liefern. Eine Welt, die nur solche Photosynthese kennt, hätte daher wahrscheinlich viel weniger Leben, das weniger komplex wäre und die Atmosphäre auch weniger beeinflussen würde. Vergleichbar energiereiche Elektronen wie aus Sauerstoff könnten außerirdische Pflanzen höchstens noch aus Stickstoff, Fluor oder Chlor gewinnen. Stickstoff ist dabei zwar ein häufiges Element, aber so wenig reaktiv, dass er sich kaum Ausgangssubstanzen bildet, aus denen man ihn zurückgewinnen könnte. Fluor und Chlor dagegen wären als Produkte einer Photosynthese so reaktiv, dass sie als Produkt für die meisten Biomoleküle einer Zelle eine Gefahr darstellen würden. Wir kommen also zu dem Schluss, dass Sauerstoff wohl unser bester Kandidat ist, zumindest Planeten mit einer komplexen Biosphäre zu finden.

Kommen wir zum Kohlendioxid: Auch das ist eine häufige Verbindung und der aus ihm gewonnen Kohlenstoff bildet das Grundgerüst aller Biomoleküle unseres Planeten. Jedes Kohlenstoffatom kann vier Bindungen eingehen und Kohlenstoff kann lange Ketten, Ringe und andere komplexe Strukturen bilden. Das alles macht ihn zur idealen Grundlage von Biochemie. Aber ginge es auch anders?

Grundsätzlich kann Silizium ähnliche Verbindungen eingehen wie Kohlenstoff, allerdings sind hierbei die langen Ketten viel weniger stabil. Auf Silizium basierendes Leben müsste daher bei viel niedrigeren Temperaturen leben und ein noch größeres Problem ist, dass Siliziumdioxid kein Gas ist, sondern... Sand! Leben, das Silizium nutzen will, hätte es also sehr schwer, denn seine Grundlage liesse sich nicht in Wasser lösen und wäre dadurch nur schwer in größeren Mengen zugänglich.

Stickstoff wäre eine andere mögliche Alternative, denn er kann immerhin drei Bindungen eingehen, aber am liebsten geht ein Stickstoffatom alle drei Bindungen mit einem anderen ein und dann sind sie schwer zu trennen. Leben müsste also relativ viel Energie in das Aufbrechen dieser Bindungen stecken – und das wäre für primitives Leben eine große Herausforderung – oder es müsste mit den Stickstoffverbindungen klarkommen, die durch Blitze und Vulkanausbrüche entstehen. Aber auch dann hätte es ein schlechters Grundgerüst zu einem höheren Preis. Insgesamt wäre Leben auf einer anderen Basis als Kohlenstoff zwar denkbar, aber würde wohl wieder eher klein und einfach bleiben und hätte dadurch auch wenig Einfluss auf seine Atmosphäre.

Last but not least schauen wir aufs Wasser: Wasser ist wie gesagt im Universum häufig und ein hervorragendes Lösungsmittel. Lebewesen die ohne Wasser auskommen wären daher wahrscheinlich wieder stark im Nachteil. Aber muss komplexes Leben auch den Wasserkreislauf seines Planeten so stark beeinflussen wie auf unserer Welt? Offensichtlich nicht, denn solange das Leben nur im Wasser und nicht an Land vorkommt, beruht sein Einfluss auf den Wasserkreislauf nur auf der Veränderung der Atmosphärentemperatur, nicht aber auf einer Veränderung der Verdunstungsmuster. Die Temperaturen sind aber auch dann möglicherweise ein wichtiger Faktor, denn sie beeinflussen ja auch, wieviel Wasser auf einer Welt gefroren vorliegt! Tatsächlich hat die Photosynthese in der Geschichte unserer Erde mehrmals so viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt, dass dies zu großen Vereisungen geführt hat. Hierdurch kam es wohl zu Zeiten des nur einzelligen Lebens mehrmals zu einer „Schneeball-Erde“, die zu großen Teilen eisbedeckt war und auch im Karbon, als die ersten Wälder entstanden zu einer ausgeprägten Eiszeit.

Sauerstoff, wenig Kohlendioxid und ein ungewöhnlicher Wasserkreislauf mit unerwartet ausgeprägten Vereisungen könnten also gute Hinweise auf eine Welt mit aktiver Photosynthese sein – einige mögliche Arten des Lebens würden wir aber wohl übersehen, wenn wir nur nach diesen Zeichen suchen. Und auch wenn Leben auf einer Welt mit sauerstoffbildenden Atmosphäre wohl die besten Chancen hätte, vielfältig und komplex zu werden, wissen wir bisher einfach zu wenig, um beurteilen zu können, ob es auch die häufigste oder überhaupt eine häufige Art des Lebens im Universum ist. Möglicherweise haben die meisten belebten Planeten nur einfache Lebewesen mit einfacherer Photosynthese oder solche, die nur geochemische Prozesse zur Energiegewinnung nutzen.

Kommen wir unserer Erde näher, dann können wir noch mehr Anzeichen für Photosynthese erkennen: Große Teile unserer Erdoberfläche sind mehr oder weniger grün durch Landpflanzen oder Algen! Der grüne Farbstoff ist Chlorophyll, das Molekül, mit dem Pflanzen Licht einfangen und weil es besonders gut rotes und blaues Licht aufnimmt, aber grünes reflektiert, erscheint unsere Vegetation in dieser Farbe. Wäre das bei unserem fremden Planeten auch so?

Hier könnte eine andere Welt tatsächlich auch ganz anders aussehen! Schon auf der Erde gibt es eine ganze Reihe anderer Pigmente, die Lichtenergie aufnehmen können, viele davon nutzen verschiedene Pflanzen, um mehr Licht aufzufangen, als Chlorophyll das allein könnte. Verschiedene Algengruppen haben daher oft ganz unterschiedliche Farben, da sie daran angepasst sind, das Licht aufzufangen, das in verschiedene Wassertiefen vordringt – und vorher nicht von anderen Algen absorbiert wurde! Es gibt schon bei uns rote, grüne, braune, blaugrüne und goldgelbe Algen und im Prinzip hätten all diese zur Basis unserer Landpflanzen werden können.

Auf einem fremden Planeten wären die Blattfarbstoffe wahrscheinlich an die Farbe des Lichts der dazugehörigen Sonne angepasst und entsprechend ins bläuliche oder rötliche verschoben – zumindest in einem gewissen Rahmen. Aber müssten fremde Pflanzen überhaupt unser sichtbares Licht auffangen? Es gibt ja auch längere, für uns nicht sichtbare Wellenlängen wie Infrarotstrahlung, Mikro- und Radiowellen und kürzere Wellenlängen wie UV, Röntgen- und Gammastrahlen. Könnten ausserirdische Pflanzen also auch ganz andere „Antennen“ haben?

Grundsätzlich kann zwar jede Strahlung Energie übertragen, aber auf molekularer Ebene trifft immer ein Strahlungspartikel auf ein Molekül und muss dann die richtige Energie mitbringen. Längere Wellenlängen haben dabei weniger Energie, weshalb sich Infrarotstrahlung oder Mikrowellen zwar eignen, Moleküle zum Schwingen zu bringen und damit zu erwärmen, aber meist nicht ausreichen, Elektronen zu bewegen und so chemische Reaktionen anzuregen. Eine Photosynthese die auf langwelliger Strahlung basiert, wäre also wohl wieder eher ein mageres Zubrot für Mikroorganismen, aber keine geeignete Grundlage für ein komplexes Ökosystem.

Kürzere Wellenlängen wie UV oder Gammastrahlen dagegen, bringen so viel Energie mit, dass sie nicht nur bestimmte Moleküle anregen, sondern wahllos Elektronen aus Molekülen schlagen – und auch das eignet sich nicht, um sinnvolle Biochemie anzutreiben. Wobei...

Es gibt nämlich tatsächlich ein paar Pilze, die harte ionisierende Strahlung verwerten können, sogenannte radiotrophe Pilze. Diese nutzen den Farbstoff Melanin, der vielen Lebewesen als Strahlenschutz dient und auch für die Bräune unserer Haut zuständig ist. Allerdings ist dies ein umgewandelter Schutzmechanismus und gibt den Pilzen nur ein bisschen zusätzliche Energie zu ihrer normalen Ernährung. Auch ist schwer vorstellbar, wie Lebewesen eine solche Energiegewinnung evolvieren sollten, ohne vorher schon einen Stoffwechsel zu haben, der komplex genug ist, die unvermeidlichen Strahlenschäden effektiv zu reparieren. Eine Photosynthese, die auf harter Strahlung basiert erscheint damit eher als ein nettes Zubrot für Lebwesen auf einem sonst lebensfeindlichen Planeten und wäre wohl wieder keine gute Besis für ein komplexes Ökosystem.

Aber auch wenn außerirdische Pflanzen wohl auch sichtbares Licht als Energiequelle nutzen, könnten sie farblich ganz anders aussehen, als wir das gewohnt sind. Wir haben ja schon im letzten Kapitel gehört, wie sich Pflanzen an zu viel oder zu wenig Licht anpassen können. Und auf einer Welt, die viel heller oder dunkler als unsere ist – oder auf der die Photosynthese mehr oder weniger effektiv ist als bei uns – könnte gar nicht die Wellenlänge des genutzten Lichts, sondern die aufgenommene Gesamtlichtmenge über die Farbe der Pflanzen entscheiden. Pflanzen auf einer heissen, lichtdurchfluteten Welt könnten grau, weißlich oder sogar silbrig erscheinen, um überschüssiges Licht zu reflektieren. Auf einer kalten dunklen Welt könnten Pflanzen dunkelblau, braun oder schwarz sein, um möglichst viel Licht, aber auch Wärmestrahlung aufzufangen!

Kommen wir unserer fremden Welt noch näher, dann könnten wir endlich die außerirdischen Pflanzen in all ihren seltsamen Farben sehen. Wie sie genau aussehen? Das lässt sich kaum sagen. Schon auf unserer Welt finden wir ja eine verwirrende Vielfalt an Formen. Einige Prinzipien werden wir sicher wiederfinden: Flächige Strukturen wie Blätter, um Licht einzufängen, Wurzeln, die Pflanzen im Boden verankern und wahrscheinlich auch Stämme, die die Blätter über die Konkurrenz erheben – wenn die fremden Pflanzen Strukturen evolviert haben, die genug Festigkeit bieten, um sich über den Boden zu erheben!

Viele Anpassungen an extremere Lebensräume könnten natürlich auf fremden Planeten häufiger oder seltener sein als bei uns: Bei hoher Schwerkraft oder starken Winden blieben Pflanzen wohl kleiner, bei niedriger Schwerkraft wären sie vielleicht größer. Auf einer trockenen, lichtdurchfluteten Welt könnten die meisten Pflanzen wie graue runde Steine aussehen, um sich vor Verdunstung zu schützen.

Aber vielleicht wären die vorherrschenden Pflanzen auf dem festen Land eines fremden Planeten auch ganz anders aufgebaut als bei uns! Hätten sich zum Beispiel Flechten als Landbesiedler durchgesetzt, zum Beispiel weil eine Welt für ungeschützte Algen zu lebensfeindlich wäre, um den Landgang alleine zu schaffen, dann könnte die Vegetation aus einem gewaltigen Pilzgeflecht bestehen, das nur in den oberen Ebenen farbige Algen eingelagert hat. Oder vielleicht hätten es Algen als Symbioten einfacher Tiere an Land geschafft und die vorherrschende photosynthetische Lebensform wären grüne Schnecken, die langsam den wechselnden Jahreszeiten folgen? Im Detail wäre vieles denkbar und vielleicht könnte sich das Leben damit auch an ganz andere Lebensbedingungen anpassen, als wir sie kennen.

Und was wäre mit der Fortpflanzung? Hätten fremde Pflanzen Blüten? Wenn wir davon ausgehen, dass sexuelle Fortpflanzung dem Austausch von Genen dient und damit Schäden reparieren hilft, sowie die Evolution beschleunigt, dann erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch Leben auf anderen Welten einen ähnlichen Mechanismus entwickelt – vielleicht ist er für komplexes Leben sogar notwendig! Auch Pflanzen auf anderen Welten wären wohl meist stationär – warum sollten sie Energie zum herumwandern verschwenden? Außer bei außerirdischen Pflanzen, die wie oben beschrieben von Tieren abstammen, gäbe es also auch hier das Problem, Geschlechtszellen verschiedener Individuen zusammenzubringen – über Wasser, Wind oder eben Tiere, so es solche auf dieser Welt gäbe. Und dazu wäre es wohl auch wieder von Vorteil irgendeine Art von Blüte zu entwickeln – wie genau diese aber aussähen, ob sie bunt wären, riechen, Schall reflektieren, als Fallen wirken oder andere Mechanismen hätten, das hinge von der Umwelt dieser Pflanzen ab und lässt sich ohne diese zu kennen nicht vorhersagen!

Zum guten Schluss gehen wir noch einen Schritt näher an unsere außerirdischen Pflanzen heran und schauen einmal nach unserer Rubisco – gibt es die hier auch? Und wenn nicht, was dann?

Diese Frage ist vielleicht am schwersten zu beantworten. Dass Zucker oder ähnliche Substanzen auch von fremden Pflanzen genutzt werden, erscheint wahrscheinlich und damit wäre auch ein ähnliches Enzym wie Rubisco möglich, das aus dem Zuckerstoffwechsel für die Photosynthese rekrutiert wurde. Denkbar wäre aber auch ein Enzym, das effizienter Kohlendioxid bindet und so die außerirdische Photosynthese effizienter macht. Was hätte das für Folgen?

Diese Pflanzen würden wohl weniger Wasser verdunsten und könnten besser mit Trockenheit auskommen. Auch könnten sie niedrigere Kohlendioxidkonzentrationen nutzen und das könnte dazu führen, dass sie ihrer Atmosphäre noch mehr des Gases entziehen und ihre Welt in der Folge noch kälter wird. Vielleicht hätte eine effektivere Photosynthese das Leben auf unserer Erde schon längst erforen? Oder würde eine solche Welt zwischen extremen Eis- und Tauzeiten schwanken? Würde der hohe Sauerstoffgehalt einer solchen Atmosphäre zu so häufigen Bränden führen, dass sich die Welt zwischen Feuer und Eis einpendelt? Würden solche „Superpflanzen“ eine Welt nah an ihrer Sonne überhaupt erst zu einem lebensfreundlichen Ort machen?

Ihr seht, auch wenn es einiges gibt, das wohl auf – zumindest manchen – fremden Welten ganz ähnlich wäre wie bei uns, bleibt genug übrig, was skurril und ungewöhnlich sein könnte – und warum sollte das Leben auf anderen Welten auch weniger vielfältig und faszinierend sein, wenn es doch schon auf unserer eigenen so facettenreich ist?

Freitag, 30. Dezember 2022

Der Grüne Planet - Teil 5, Kapitel 14: Verdursten und Verbrennen – der Preis für eine freie Mahlzeit

 

Kapitel 14 – Verdursten und Verbrennen – der Preis für eine freie Mahlzeit

Photosynthese klingt erstmal wie der perfekte Deal: Kostenlose Nahrung aus Licht und Luft! Aber wie so vieles, das zu schön klingt, um wahr zu sein, hat auch die Photosynthese so ihre Haken. Wir haben ja im letzten Kapitel gelernt, dass die Energie aus dem Licht in ATP und NADPH zwischengeseichert wird, dann aber möglichst zügig zum Bau von Zucker verwendet werden muss. Die Rubisco ist damit das vielleicht wichtigste Enzym der Welt: Nicht nur wurde nahezu aller Kohlenstoff in Lebewesen von ihr aus der Luft gewonnen, sie ist auch die entscheidende Arbeiterin, die dafür sorgt, dass sich aus Licht gewonnene Energie nicht im Blatt anstaut – und das wäre schnell schädlich, da dann Reaktionen passieren, die die DNA und andere Bestandteile der Zelle beschädigen können. Jetzt gibt es nur ein Problem: Die Rubisco, das zentrale Enzym der Photosynthese und des Lebens auf der Erde ist ziemlich mies in ihrem Job...

Wobei... Das ist nicht ganz fair. In ihrem ursprünglichen Job ist sie nämlich eigentlich sogar recht gut: Den Zucker Ribulose-1,5-bisphosphat zu binden. Und mit dem kann dann Kohelndioxid reagieren, nur bindet Rubisco dieses eben nicht wirklich gut und so wartet das Enzym im Prinzip einfach darauf, dass das richtige passiert. Und das macht Rubisco langsam, sehr langsam, tatsächlich zu einem der langsamsten bekannten Enzyme. Pflanzen lösen dieses Problem dadurch, dass sie gewaltige Mengen Rubisco enthalten – etwa die Hälfte der Proteine in Blättern können Rubisco sein und das macht sie zum mit Abstand häufigsten Protein der Erde! Es gibt Schätzungen, dass in Landpflanzen und Algen über sieben Milliarden Tonnen Rubisco vorhanden sind – mehr als alle Proteine in allen Wirbeltieren zusammen!

Rubisco ist aber nicht einfach nur langsam. Da sie Kohlendioxid nicht gut bindet, hat sie auch wenig Kontrolle darüber, was genau mit dem Ribulose-1,5-bisphosphat reagiert. Und neben Kohlendioxid kann das noch ein anderes Molekül: Sauerstoff! Und das ist ein echtes Problem, denn dabei entsteht kein Zucker, tatsächlich müssen die entstehenden Moleküle mit relativ großem Aufwand wieder zu Ribulose-1,5-bisphosphat zurück verarbeitet werden. Diese Nebenreaktion sollten Pflanzen also möglichst vermeiden. Als die Photosynthese zuerst evolvierte, war das noch kein großes Problem, da damals viel mehr Kohlendioxid als Sauerstoff in der Atmosphäre vorhanden war, aber heute haben wir etwa 20% Sauerstoff und nur 0,04% Kohlendioxid – und was die Sache noch schlimmer macht – bei der Photosynthese entsteht Sauerstoff!

Pflanzen müssen also ständig dafür sorgen, dass sie genug, aber nicht zu viel Licht auffangen und gleichzeitig ihre Rubisco mit genug Kohlendioxid versorgen und sie vor zu viel Sauerstoff schützen. Zu wenig Photosynthese und sie drohen zu verhungern, gerät aber die Reaktion außer Kontrolle drohen sie innerlich chemisch zu verbrennen. Wie gelingt ihnen also dieser Balanceakt?

Schauen wir zuerst einmal auf den Austausch von Kohlendioxid und Sauerstoff mit der Umwelt. Für Algen ist das noch recht einfach – beide Gase sind in Wasser löslich und können so über die Oberfläche der Alge abgegeben und aufgenommen werden. Einige Algenarten können dabei aber auch aktiv Kohlendioxid aufnehmen und so eine günstigere Umgebung für die Rubisco erzeugen. Für Landpflanzen sieht die Sache ein bisschen schwieriger aus: Auch sie können die beiden Gase mit der Atmosphäre austauschen, aber dabei verdunstet auch Wasser und sie riskieren zusätzlich zu den oben genannten Problemen auch noch zu verdursten! Die ersten Landpflanzen waren daher eher klein und blieben am feuchten Boden, wie es auch heute noch die Moose tun.

Aber dann machte die Evolution eine der großartigsten Erfindungen aller Zeiten: Die Spaltöffnung! Das sind im Prinzip einfach kleine Poren in der Oberfläche einer Pflanze, die von zwei Zellen umgeben sind. Sie sehen ein bisschen aus wie ein winziges zuschnappendes Karpfenmaul – und wie eine solches können sie sich öffnen und schließen! Farne und Blütenpflanzen haben unzählige Spaltöffnungen und können über diese genau kontrollieren, wie viel Gas sie mit der Atmosphäre austauschen und wie viel Wasser sie verlieren – dabei nutzen sie eine ganze Reihe von Signalen, um das alles minuten- oder sogar sekundengenau feinzusteuern: Licht führt dazu, dass sich Spaltöffnungen öffnen, genauso wie Kohlendioxidmangel im Blatt, sendet aber die Wurzel das Pflanzenhormon Abscisinsäure als Warnsignal für Trockenheit, dann gehen die Spaltöffnungen zu. Und nicht nur erlaubt diese Kontrolle über die Spaltöffnungen, die Balance zwischen Verhungern, Verdursten und Verbrennen zu steuern, nein Landpflanzen haben auch noch aus der Not eine Tugend gemacht und nutzen den Wasserstrom, der durch die Verdunstung entsteht als Antrieb für den Transport von Mineralien aus den Wurzeln in Spross und Blätter!

Trotzdem bleibt der Wasserverlust während der Photosynthese ein großes Problem und bei großer Trockenheit werfen daher viele Pflanzen ihre Blätter ab, denn es ist besser in eine Ruhepause überzugehen, als zu Verdursten oder das aufgefangene Licht nicht nutzen zu können. Das ist auch ein Grund, warum unsere Laubbäume im Winter die Blätter abwerfen. Gerade die Kombination aus Kälte und viel Licht ist für Pflanzen kritisch, da dann der Stoffwechsel ausgebremst wird und Lichtenergie nicht mehr schnell genug weiterverarbeitet werden kann.

Trockenheit und Hitze ist aber genauso ein Problem und an Trockenheit angepasste Pflanzen haben daher oft kleinere Blätter oder wie Kakteen gar keine mehr – sie reduzieren also die Verdunstung massiv um den Preis auch weniger Photosynthese durchführen zu können und dann langsamer zu wachsen. Aber einige Pflanzen kennen für Trockenheit noch einen weiteren Trick: Sie reichern Kohlendioxid an! Ganz so direkt wie Algen, die es aus dem Wasser aufnehmen funktioniert das allerdings aus der Luft nicht. Pflanzen wie Mais haben daher im Blatt zwei verschiedene Typen von Zellen: Im ersten (den Mesophyllzellen) gibt es keine Rubisco, dafür ist hier ein anderes Enzym aktiv: Die PEP-C (Phosphoenolpyruvat-Carboxylase). Diese kann Kohelndioxid direkt binden und in eine organische Säure einbauen (Da diese Säure 4 Kohlenstoffatome hat, wird diese Art der Photosynthese auch C4-Photosynthese genannt). Diese wird dann in den zweiten Zelltyp transportiert, in dem die Rubisco steckt und hier wird das Kohlendioxid wieder freigesetzt – dadurch hat die Rubisco ideale Bedingungen und die Photosynthese kann auch bei weniger weit geöffneten Spaltöffnungen noch effektiv laufen und so spart die Pflanze Wasser!

Noch mehr Wasser sparen andere Pflanzen wie die Dickblattgewächse (Crassulaceae) und die Kakteen: Bei ihnen findet die Bildung organischer Säuren über die PEP-C nachts statt und die Säure wird bis zum Tagesanbruch zwischengespeichert, so dass tagsüber Photosynthese bei geschlossenen Spaltöffnungen stattfinden kann! Tatsächlich war ein erster Hinweis auf diesen Crassulaceen-Säurestoffwechsel (CAM) die Beobachtung des deutschen Missionars und Botanikers Benjamin Heyne in Indien, dass die Blätter der Goethepflanze (Kalanchoe pinnata) morgens sauerer schmecken als abends!

So genial diese Mechanismen auch erscheinen, Pflanzen zahlen einen relativ hohen Preis dafür, mit ihnen die Unzulänglichkeiten der Rubisco auszugleichen. Mais und co. müssen „nur“ einen speziellen Blattaufbau organisieren, CAM-Pflanzen brauchen aber auch noch große Wasserspeicher, um die Säure speichern zu können – ein Grund, warum Kakteen und andere Wüstenpflanzen so dicklich (sukkulent) sind! In kühleren, feuchteren Klimazonen sind sie daher nicht konkurrenzfähig, da hier Wassermangel nicht mehr so entscheidend ist. Warum nutzen C4- und CAM-Pflanzen aber nicht einfach direkt die organischen Säuren, um daraus Zucker aufzubauen? Grundsätzlich spräche da biochemisch nichts dagegen, aber hier schießt ein Prinzip der Evolution quer: Evolution plant nicht, sondern fördert immer nur Veränderungen, die von Vorteil sind. Und da der ganze Stoffwechel von Pflanzen auf den Zuckeraufbau über Rubisco ausgerichtet ist, wäre jeder andere Weg erst einmal weniger effizient, auch wenn er langfristig besser wäre. C4- und CAM-Photosynthese sind also wieder einmal Beispiele dafür, dass die Evolution kein intelligenter Designer ist, sondern eher ein betrunkener Klempner, der Freitag abend noch schnell so lange am System herumschraubt, bis es einigermaßen gut funktioniert!

Wir haben jetzt also viel darüber gelernt, wie Pflanzen die Bedingungen für Rubisco optimieren können, aber was ist mit dem anderen Teil der Photosynthese – dem Licht? Auch hier kennen sie eine ganze Wunderkiste voller Tricks! Wir haben ja schon gelernt, dass Pflanzen Licht wahrnehmen können und auch, dass sie ihre Blätter bewegen können. So können sie die Blätter optimal auf das Licht ausrichten. Aber nicht nur das, sogar innerhalb der Zellen der Blätter kann Bewegung stattfinden und sich die Chloroplasten, die Zellorganellen die das Chlorophyll enthalten so anordnen, dass sie mehr oder weniger Licht auffangen.

Pflanzen können sich aber auch langfristiger an die Lichtmenge anpassen. Dass sie gezielt auf das Licht zuwachsen, haben wir ja auch schon besprochen. Viele Pflanzen können aber auch verschiedene Typen von Blättern bilden: Licht- und Schattenblätter. Erstere sind dabei darauf optimiert, weniger Wasser zu verdunsten, zweitere auch das letzte bisschen Licht aufzufangen. Manche Pflanzenarten sind auch insgesamt auf eine der Stratgien angepasst und sicher hast Du schon einmal gehört, dass manche Pflanzen am besten im vollen Sonnenlicht, Halbschatten oder Schatten wachsen.

Und reicht all das noch nicht aus, dann können einige Pflanzen auch noch einen molekularen Sonnenschutz produzieren: Farbstoffe, die überschüssiges Licht auffangen. Vielleicht sind Dir schon einmal die roten Blätter des stinkenden Storchschnabel (Geranium robertianum) aufgefallen, wenn er in der vollen Sonne wächst oder auch die graugrünen bis weisslichen Stämme mancher Kakteen und anderer Wüstenpflanzen, die durch Wachse entstehen, welche Licht reflektieren.

Obwohl Photosynthese also gar nicht so einfach ist, haben Pflanzen es meist erstaunlich gut im Griff, die verschiedenen Anforderungen zu balancieren. Was uns zur Frage des nächsten Kapitels führt: Könnte das nicht alles auch ganz anders sein?