Montag, 13. April 2015

Brontosaurus is back!

Wer es noch nicht mitbekommen hat: Es gibt den Brontosaurus wieder! Oder, besser gesagt, der Name Brontosaurus ist wieder ein gültiger wissenschaftlicher Name für einen Dinosaurier. Okay, das interessiert vielleicht nur echte Dinosaurier-Begeisterte - und auch nur die wissen, dass als korrekter Namen für "Brontosaurus" lange Apatosaurus galt - aber an dem Fall kann man schön erklären, warum und wie sich wissenschaftliche Namen für Arten manchmal ändern.
Fangen wir ganz am Anfang an: 1877 beschrieb der berühmte amerikanische Paläontologe Othniel Charles Marsh die Überreste eines Dinosauriers als Apatosaurus ajax. Apatosaurus bedeutet "trügerische Echse", da ein bestimmter Knochen (die Chevronknochen) denen von Mosasauriern ähnlicher waren als denen anderer Dinosaurier, die Marsh kannte. 1879 wurde ein weiteres Skelett entdeckt, das Marsh als Brontosaurus excelsus beschrieb - und Brontosaurus heisst "Donnerechse", was bei einem riesigen, schweren Tier natürlich ein viel eindrücklicherer Name ist und in der Folge zu einem der beliebtesten Dinosauriernamen überhaupt wurde.
Wissenschaftliche Namen bestehen immer aus zwei Teilen, dem Gattungsnamen und dem Artepitethon. Dabei bilden eine oder mehrere relativ eng verwandte Arten eine Gattung. So wären zum Beispiel die Stockente (Anas platyrhynchos) und die Krickente (Anas crecca) zwei Entenarten, die zur  Gattung Anas gehören, während die Reiherente (Aythya fuligula) und die Bergente (Aythya marila) zusammen in die Gattung Aythya gestellt werden.
Kommen wir zurück zu Brontosaurus: 1903 verglich der amerikanische Paläontologe Elmer Rigg Apatosaurus ajax und Brontosaurus excelsus und kam zu dem Schluss, dass die beiden Arten so ähnlich sein, dass sie in die gleiche Gattung gestellt werden sollten. Und da nach den Regeln der Taxonomie - der Wissenschaft von der Klassifizierung von Lebewesen - immer der älteste Name Vorrang hat, sollte diese gemeinsame Gattung Apatosaurus heißen. Und auch wenn nicht alle Paläontologen der Interpretation von Rigg sofort zustimmten, setzte sich seine Sicht in der Folge in der Fachwelt durch und aus Brontosaurus excelsus wurde Apatusaurus excelsus. Aber natürlich gibt es nicht nur die korrekten wissenschaftlichen Namen, sondern auch das, was Wissenschaftler als "Trivialnamen" bezeichnen, also die Namen, unter denen Lebewesen in der Alltagssprache bekannt sind. Und als Trivialnamen blieb "Brontosaurus" weiter beliebt.
Nun wurden seit 1903 viele weitere mit den genannten Dinosauriern verwandte Fossilien gefunden, darunter auch der erst noch fehlende Kopf von Apatosaurus. Und mit mehr Funden lassen sich auch bessere Vergleiche ziehen, so wie auch Rigg das 1903 getan hat. Solche Arbeiten, sogenannte Revisionen vergleichen alles bekannte Material einer Lebewesengruppe und überprüfen, ob die Zuordnung zu Arten, Gattungen und höheren Gruppen noch dem aktuellen Kentnisstand entspricht oder ob manche Dinge umgestellt werden müssten. Solche Umstellungen können sich auch dann ergeben, wenn die Erstbeschreiber keine offensichtlichen Fehler begangen haben, aber ihre Datenlage eben andere Schlüsse nahelegte als die aktuelle.
Wenn zum Beispiel zwei fossile Tiere A und B so unterschiedlich aussehen, dass man sie als verschiedene Arten beschrieben hat, man aber in der Zwischenzeit so viele Zwischenstadien gefunden hat, dass es jetzt klar ist, dass A wohl das Jungtier und B das ausgewachsene ist, sollten sie als eine Art betrachtet werden. Wenn dagegen A und B so ählich sind, dass sie in eine Art gestellt wurden, sich später aber herausstellt, dass man immer nur Individuen findet, die genau wie A oder genau wie B aussehen und niemals Zwischenstadien, dann kann es sinnvoller sein, A und B als zwei verschiedene Arten zu betrachten (Geschlechtsunterschiede wollen wir einmal außen vor lassen...).
Und so kommen wir zum Jahr 2015, wo eine Gruppe von Paläontologen eben eine solche ausführliche Revision der Diplodocidae, der Gruppe zu der Apatosaurus gehört, veröffentlicht haben. Tatsächlich haben sie alle heute bekannten Exemplare dieser Gruppe begutachtet! Und nach ihrer Ansicht sind in der Gesamtschau nicht nur Apatosaurus ajax und Brontosaurus excelsus so unterschiedlich, dass sie in zwei unterschiedliche Gattungen gehören, sondern von den fünf Arten, die bisher in die Gattung Apatosaurus gestellt wurden, sind zwei weitere näher mit Brontosaurus excelsus als mit Apatosaurus ajax verwandt. Und damit haben wir jetzt statt fünf Apatosaurus-Arten nur noch zwei, aber dafür drei Brontosaurus-Arten! Zumindest, wenn wir der neuen Interpretation folgen wollen... In der Taxonomie gibt es nämlich zwei "Camps" - die sogenannten "Splitter", die eher viele Arten, Gattungen usw. anerkennen und die "Lumper", die lieber größere umfassende Arten, Gattungen etc. verwenden. Und da Apatosaurus und Brontosaurus nach der neuen Arbeit immer noch nah verwandte Gattungen sind und näher miteinander verwandt, als mit irgendeiner anderen Gattung, könnte man sie immer noch zu einer einzigen Gattung zusammenfassen und die hieße dann natürlich wieder Apatosaurus...
Aber man müsste schon ein recht hartherziger Lumper sein, um der Donnerechse ihre Wiederauferstehung zu verweigern!

Link: Tschopp, E.; Mateus, O. V.; Benson, R. B. J. (2015). "A specimen-level phylogenetic analysis and taxonomic revision of Diplodocidae (Dinosauria, Sauropoda)". PeerJ 3: e857 - zum Volltext (Englisch)

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