Donnerstag, 6. Februar 2014

Wie war das eigentlich nochmal mit der Grippe?

Jedes Jahr schafft es eine neue Grippevariante in die Nachrichten, ob "Vogelgrippe", "Schweinegrippe" oder "Neue Grippe". Und jedes Mal geht dann die Diskussion los, ob es hier um Panikmache oder gar Geschäftemacherei geht oder um eine echte, ernste Gefahr. Die "normalen" Grippewellen schaffen es dagegen nur in die Presse, wenn sie ungewöhnlich schwer ausfallen und die Krankenhäuser überfüllen - was regional gar nicht selten auftritt. Aber was hat es mit der Grippe auf sich, wie kommt es zu diesen neuen Grippestämmen, wie gefährlich sind die und was kann man eigentlich dagegen tun?

Einfach eine Erkältung?
Die echte Grippe, im Fachmund Influenza genannt, wird von Influenzaviren ausgelöst und hat Symptome, die einer Erkältung ähneln, aber meist schneller und heftiger auftreten. Typisch für eine echte Grippe ist ein schnelles Auftreten der Beschwerden, zu denen hohes Fieber (bis über 40°C) mit Schüttelfrost, starke Kopf- und Gliederschmerzen, Husten und Übelkeit gehören. Die Beschwerden halten 7-14 Tage an und sind in den ersten Tagen oft gleichbleibend schwer. Klassische Erkältungskrankheiten verlaufen meist milder, die Symptome bauen sich über einen längeren Zeitraum auf und dazu gehören meist Niesen und eine laufende Nase, die bei der echten Grippe seltener sind. Bis auf einen manchmal länger anhaltenden Reizhusten ist eine "normale" Erkältung meist innerhalb einer Woche abgeklungen. Mit Grippe anstecken kann man sich wie bei Erkältungskrankheiten über die Schleimhäute (Mund, Nase, Auge), wenn diese in Kontakt mit Viren kommen, die von einem Infizierten abgegeben wurden (Berührung, ausgehustete Tröpfchen, Kot).
Auf Grund des heftigen Verlaufs kann eine Grippeerkrankung vor allem für Kinder, Ältere und geschwächte Patienten an sich gefährlich werden. Im Vergleich zu einfachen Erkältungen zieht eine Grippe aber auch relativ häufig eine bakterielle Lungenentzündung nach sich, die unbehandelt lebensbedrohlich sein kann. Wie viele Menschen an der Grippe sterben ist schwer genau zu bestimmen, da eine Erkrankung häufig nicht direkt tödlich ist, aber eine Folgeerkrankung das sehr wohl sein kann. Während die Zahl direkter und gemeldeter Grippetodesfälle in Deutschland zwischen einer Handvoll und wenigen Hundert schwankt, gehen die Schätzungen zur gesamten grippebedingten Sterblichkeit in die Tausende. Neben den alljährlichen "normalen" Grippewellen treten aber immer wieder auch Pandemien, also sich weltweit ausbreitende Infektionswellen, gefährlicher Grippestämme auf. Die verheerendsten des 20sten Jahrhunderts waren die Spanische Grippe, die 1918-1920 mit 25-50 Millionen Toten mehr Opfer gefordert hat als der erste Weltkrieg, die Asiatische Grippe, die 1957/58 ein bis zwei Millionen Menschenleben gekostet hat und die Hongkong-Grippe, die 1968 Folgen in ähnlicher Größenordnung hatte.
Die Influenzaviren werden in drei Gattungen unterteilt (Influenza A, B und C), von denen die Influenza A-Viren weiter nach dem Typ von zwei Proteinen unterteilt werden, die sie tragen. Hämagglutinin erlaubt den Viren an ihre Wirtszellen zu binden, während Neuraminidase die Freisetzung neuer Viren aus der befallenen Zelle ermöglicht. H5N1 ist also zum Beispiel ein Grippevirus mit dem Hämagglutinintyp 1 und dem Neuraminidasetyp1.

Was macht die Grippe so gefährlich?
Die meisten Krankheiten evolvieren zusammen mit ihrem Wirt so, dass sie sich erfolgreich ausbreiten können, ohne dass sie dabei ihre eigene Grundlage zerstören - wer zu schnell stirbt, hustet niemanden mehr an und wird für Viren zur Sackgasse! Auf der anderen Seite kann sich unser Immunsystem Erreger "merken", mit denen es schon einmal Kontakt hatte und diese dann bei erneutem Kontakt meist schnell bezwingen. Bei der Grippe kommen allerdings mehrere Faktoren zusammen, die beide Schutzmechanismen teilweise plötzlich umgehen können:
  • Das Genom von Grippeviren besteht aus RNA und nicht aus DNA wie zum Beispiel das menschliche. Beim Kopieren von RNA passieren aber mehr Fehler als bei der DNA-Kopie, es treten also häufiger Mutationen auf. Bei den unzähligen Viren, die eine infizierte Körperzelle produziert, ist also auch die Chance groß, dass neue Viren mit neuen Eigenschaften auftreten. Man spricht hier von "antigen-drift", also einer kontinuierlichen Veränderung der Viruseigenschaften
  • Im Gegensatz zu vielen anderen Viren besteht das Genom von Influenzaviren aus mehreren kurzen Stücken, die alle in eine infizierte Zelle abgegeben, dort vervielfältig und am Ende wieder zusammensortiert und in neue Viren verpackt werden. Wenn Viren von zwei verschiedenen Grippestämmen jetzt aber die gleiche Zelle infizieren, dann können die Teile des Genoms wie Karten neu gemischt werden und schlagartig neue Stämme mit ganz neuen Merkmalskombinationen entstehen. Man spricht hier von "antigen-shift", der sprungartigen Veränderung der Viruseigenschaften.
  • Besonders Influenza A-Viren können viele verschiedene Arten befallen, darunter neben dem Menschen zum Beispiel Schweine und Vögel. Die verschiedenen Stämme evolvieren dabei in den verschiedenen Wirtsorganismen unabhängig.
Dass sich Grippeviren durch antigendrift und -shift so schnell verändern können, bringt das Gedächtnis unseres Immunsystems nur einen sehr eingeschränkten Schutz, da das nächste Virus für es oft schon nicht mehr wiederzuerkennen ist. Gerade dort, wo Nutztiere unter relativ unhygienischen Bedingungen und/oder traditionell in gemischten Haltungen, z.B. Hühner und Schweine, gehalten werden, können auch Viren aus verschiedenen Wirten zusammenkommen. Durch die Mischung der Virengene kann dann theoretisch plötzlich ein Virus entstehen, das an die Verbreitung von Mensch zu Mensch angepasst ist, nicht daran angepasst ist, seinen neuen Wirt überleben zu lassen und gegen das bisher keine Immunität bei Menschen vorhanden ist. Es gibt Schätzungen, die bei einer ungebremsten Ausbreitung der schlimmsten anzunehmenden Grippe von ein bis zwei Milliarden Infizieren innerhalb eines Jahres bei einer Sterblichkeit von 10-20% ausgehen. Wirklich vorhersagbar ist aber keine Grippewelle.

Müssen wir jetzt alle Sterben?
Ohne Frage: Das müssen wir wohl irgendwann - aber wahrscheinlich nicht an Grippe! Tatsächlich gibt es einiges, was man heute tun kann. Die Behandlung der Symptome kann die Gefahren schon beträchtlich mildern, daneben gibt es inzwischen eine Reihe von antiviralen Medikamenten, die die Vermehrung von Grippeviren direkt hemmen können. Und mit Hilfe von Antibiotika können Lungenentzündungen, die vielleicht die gefährlichste Komplikation darstellen, meist gut behandelt werden.
Die wichtigsten Maßnahmen der Grippebekämpfung sind aber vorbeugende Maßnahmen, die die Ausbreitung verhindern sollen - und zu denen können wir alle beitragen:
  • Hygiene ist wie bei so vielen Krankheiten essentiell. Händewaschen allein mag nicht alle Viren von der Haut entfernen, aber auch eine Reduktion der Anzahl macht eine erfolgreiche Infektion schon unwahrscheinlicher. Wer besonders viel mit Menschen zu tun hat, sollte gerade im Winter auch über eine Händedesinfektion nachdenken und sich fragen, wann ein Händeschütteln wirklich nötig ist. Und ganz besondere Vorsicht gilt, wann immer die Hände in Kontakt mit dem eigenen Gesicht kommen, da hier die infizierbaren Schleimhäute sitzen - also Händewaschen vor dem Augereiben, naseputzen und insbesondere Essen! Wer noch etwas mehr Schutz möchte, kann natürlich auch einen Mundschutz tragen - in Asien ist das in der Grippesaison oder bei eigener Erkrankung recht gebräuchlich.
  • Grippeerkrankungen sollte man ernst nehmen. Das heisst, dass dann, wenn Verdacht auf eine Erkrankung besteht, Erkrankte und Menschen in Kontakt mit ihnen besonders auf Hygiene achten sollten. Einen Arzt aufzusuchen und sich nicht zur Arbeit oder Schule zu quälen, gehört auch zu den sinnvollen Schutzmaßnahmen!
  • Für Risikogruppen, also Kinder, Ältere, Immungeschwächte und alle, die mit vielen Menschen in Kontakt kommen, empfiehlt sich auch eine Grippeschutzimpfung. Diese muss jedes Jahr aufgefrischt werden, da der Impfstoff jedes Jahr neu zusammengestellt werden muss, um die neu aufgetretenen Grippestämme abzudecken. Im Prinzip ist die Impfung nichts anderes als eine Injektion nicht-lebensfähiger Viren oder Virusproteine, an denen das Immunsystem "üben" kann, um im Fall einer echten Infektion so schnell und hart zuzuschlagen, dass die Viren keine Chance haben. Wichtig zu merken ist aber, dass eine Grippeimpfung nie 100%igen Schutz bieten kann, gerade auch deshalb, da sich die auftretenden Virustypen eben nicht absolut sicher vorhersagen lassen.
  • Reisende sollten  Warnungen ernst nehmen und sich selbst als Riskiogruppe betrachten, da sie mit neuen Grippestämmen in Kontakt kommen sollten - insbesondere unter Bedingungen mit geringer Hygiene, gemischter Tierhaltung und/oder großen Menschenansammlungen - Hygiene und eine Impfung sind hier also angesagt und Krankheitssymptome sollten ernst genommen werden, besonders wenn man sie in die Heimat mitnimmt!
Und was ist jetzt mit der Panikmache in der Presse?
Neben den "normalen" Grippewellen besteht tehoretisch jederzeit auch das Risiko eines überraschend neu auftretenden Stamms, der eine verheerende Pandemie auslösen könnte. Hier ist ein wichtiger Faktor die Zeit - solange ein neuer Virusstamm nur wenige Menschen infiziert hat, kann seine Ausbreitung durch Quarantänemaßnahmen so verlangsamt werden, dass eine Impfung entwickelt, Risikogruppen informiert und antivirale Medikamente eingelagert werden können. Ist ein potentiell gefährlicher Virenstamm bisher vor allem in Nutztieren nachgewiesen, kann deren Tötung eine weitere Ausbreitung auf Menschen verhindern. Im besten Fall kann eine mögliche Pandemie dann in den Anfängen erstickt werden.
Da es hier aber nicht um Monate oder Wochen geht, sondern Stunden oder Tage entscheidend sein können, sind Gesundheitsbehörden weltweit immer auf der Suche nach Grippefällen mit ungewöhnlichem Verlauf, neuen Genkombinationen oder einer nachgewiesenen Übertragung von Tieren auf Menschen. Wenn diese Arbeit es in die Presse schafft, sollte uns das also zum einen beruhigen und uns zum anderen klar machen, dass hier ein echtes Risiko besteht, vor dem wir uns aber zum Teil auch selbst schützen können.
Also lieber nochmal Händewaschen!

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