Mittwoch, 1. Januar 2014

"Wie sagt man das nochmal auf schlau?"

Eine der häufigsten Fragen von Studenten im ersten Semester ist "Wie sagt man das nochmal auf schlau?". Was sie dann suchen, ist der Fachbegriff für etwas, und auch wenn "auf schlau" eine scherzhafte Umschreibung ist, zeigt es auch ein großes Problem. Eines, das ich dann auch gerne anspreche.
Wenn ich jemandem etwas erkläre, dann möchte ich, dass mein Gegenüber möglichst viel versteht. Das könnte ich natürlich auch anders ausdrücken. Mein didaktischer Imperativ ist die Maximierung des Informationstransfers zum Rezipienten. Klingt doch gleich viel "schlauer" und macht Eindruck, nicht? Ist schwerer zu verdauen, oder? Und kommt sicher auch zumindest etwas arrogant rüber...
Ein ganz häufiges Problem bei der Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Laien ist Fachsprache. Eigentlich soll Sprache den Informationsaustausch zwischen Menschen verbessern. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich die einfache Aufgabe, sich mit Freunden ohne Worte auf einen Kinofilm und das Essen danach zu einigen. Sprache kann aber mehr, als Informationen transportieren. Sie kann auch beeindrucken wie der bunte Schwanz eines Pfaus. Genau, Poesie ist nichts grundlegend anderes als ein roter, geschwollener Pavianarsch - unwiderstehlich für den richtigen Empfänger, komplett nutzlos für alle anderen!
Und manchmal kommen sich die beiden Funktionen von Sprache in die Quere. Mit vielen "eleganten" Fremdwörtern kann man vielleicht bei dem richtigen Publikum Eindruck schinden, aber man macht den Informationstransport auch immer schwieriger und erreicht immer weniger Zuhörer oder Leser.  Mit echter Fachsprache ist die Sache aber komplizierter. Denn Fachsprache ist tatsächlich dazu da, Kommunikation einfacher zu machen. Wie funktioniert das?
Stellen wir uns mal folgende Szene vor. Bei einer Party versucht ein Mann seine Zuhörer zu beeindrucken: "Gestern habe ich ein neues, durch einen Verbrennungsmotor angetriebenes Fahrzeug, das in erster Linie zur Bewegung von Personen dient und bei dem man das Dach weg- und wieder hinklappen kann, gegen elektronische Signale eingetauscht, die mit einem kleinen Plastikstück übertragen wurden und symbolisch für viele bedruckte Papierstücke stehen." Klar kann man das einfacher ausdrücken, aber dann müsste man so etwas sagen wie "Gestern habe ich mit meiner Kreditkarte ein neues Cabrio bezahlt." Kreditkarte und Cabrio sind aber Fachbegriffe aus den Bereichen Finanzwirtschaft und Automobilbau. Weil aber fast jeder diese Begriffe kennt, erlauben sie es einen sehr komplizierten Sachverhalt einfacher und präziser auszudrücken. Für jedes Konzept, das nicht Teil unseres Alltags ist, jedesmal eine gute Definition zu geben, ist nicht nur aufwändig, es unterlaufen auch leichter Fehler. Nehmen wir mal ein Beispiel aus der Botanik. Mit dem Wort "Xylemparenchym" wird kein Laie etwas anfangen können und wenn ich es möglichst einfach erklären müsste, würde so etwas herauskommen wie "Lebende Zellen, die ähnlich funktionieren wie die ganz gewöhnlichen Zellen, die einen großen Teil des Sprosses ausmachen, die aber innerhalb des überwiegend toten und verholzten Gewebes liegen, mit dem Pflanzen Wasser und Mineralien aus dem Boden in die Pflanze transportieren." Das kann dann auch der interessierte Laie verstehen, wenn er genau zuhört und ich die Erklärung langsam vortrage und vielleicht mit einem Bild ergänze. Wenn ich aber in einem Vortrag für Botaniker jeden Fachbegriff so erkläre, dann kann ich nicht viel erzählen und langweile mein Publikum genauso wie der übergenaue Partyangeber oben.
Am Ende ist es also ganz einfach: Zwischen "Eingeweihten" sind Fachbegriffe ein Mittel zur einfacheren, präziseren und insgesamt effektiveren Kommunikation. Wenn man sie aber in erster Linie verwendet, um "schlau" zu klingen, dann riskiert man, sein Gegenüber zu verwirren und zu verlieren - insbesondere, wenn man mit Laien redet. Und ein Laie ist in diesem Fall jeder, der nicht die gleiche Sprache mit der gleichen Leichtigkeit spricht. Deshalb ist es für Fachleute wichtig, sich klarzumachen, mit wem sie reden, die Fachsprache auf das nötige und nützliche zu beschränken und sich dann auch die Zeit dafür zu nehmen, das dann gegebenenfalls auch zu erklären. Das heisst nicht, dass man jede Eleganz der Sprache vermeiden soll. Aber bei den zentralen Punkten, sollte man jeden Zuhörer oder Leser mitnehmen - je wichtiger der Punkt, desto einfacher und klarer muss er gemacht werden.
Und für die Laien? Da gilt es zu verstehen, dass sie gelegentlich jemandem zuhören, der in einer anderen Sprache redet - einer, für die es gute Gründe gibt und die aus Gewohnheit angewandt wird - aber auch einer, bei der der Laie im Zweifelsfall nachfragen muss - Und darf!
Und wer dann nicht erklären kann, was er meint, der hat es wahrscheinlich selbst nicht wirklich verstanden und wollte nur "schlau" klingen.

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